Hungerstreik kurdischer Gefangener

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Kudo21
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Hungerstreik kurdischer Gefangener

von Kudo21 am 06.11.2012 21:48

Kurdische Gefangene haben ihren Hungerstreik ausgeweitet. Sie fordern bessere Haftbedingungen für den PKK-Chef Öcalan und mehr Rechte für die Kurden. Nach langer Polemik will die Regierung ein zentrales Reformprojekt voranbringen.

Die türkische Regierung hat bekanntgegeben, dass sie in Kürze ein Gesetz auf den Weg bringen will, das die kurdische Sprache vor Gericht erlauben soll. Damit geht sie einen Schritt auf die kurdischen Gefangenen zu, die sich seit fast zwei Monaten im Hungerstreik befinden. Etliche Gefangene, die seit 56 Tagen die Nahrungsaufnahme verweigern, befinden sich inzwischen offenbar in kritischem Zustand.


Mehr Rechte gefordert

Jeder werde sich künftig vor Gericht in der Sprache verteidigen können, in der er sich am besten ausdrücken könne, sagte der stellvertretende Ministerpräsident Bülent Arinc nach einer Kabinettssitzung am Montagabend. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan habe den Justizminister angewiesen, ein entsprechendes Gesetz vorzubereiten und es schon in den nächsten Tagen dem Parlament vorzulegen. Rund 700 Gefangene in mindestens 67 Gefängnissen verweigern seit fast zwei Monaten die Nahrungsaufnahme. Im Gegensatz zu ähnlichen Hungerstreiks vor mehr als einem Jahrzehnt geht es diesmal nicht um die Situation in den türkischen Haftanstalten, sondern um die Rechte der schätzungsweise zwölf Millionen Kurden im Land sowie um Abdullah Öcalan, den Chef der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).

Polemische Äusserungen

Inhaftierte PKK-Kämpfer fordern die Freilassung von Öcalan. Allein schon eine Erleichterung der Haftbedingungen Öcalans, der seit 15 Monaten keinen Kontakt mehr mit seinen Anwälten hatte, würde viele Gefangene beruhigen, erklärte Selahattin Demirtas, der Vizevorsitzende der kurdischen BDP. Darüber hinaus fordern die Gefangenen auch das Recht auf Unterricht in kurdischer Sprache und die Möglichkeit, sich in ihrer Muttersprache vor Gericht zu verteidigen.

Der Zustand etlicher Gefangener, die mittlerweile 56 Tage im Hungerstreik sind, soll kritisch sein. Sie nehmen zwar Flüssigkeit und Vitamine zu sich, ab dem 60. Tag steige jedoch die Todesgefahr, erklärte die grösste türkische Ärztevereinigung in der vergangenen Woche. Bekannte türkische Künstler, Autoren und Musiker wie der Schriftsteller Yasar Kemal und der Liedermacher Züfli Livanelli haben an die Regierung appelliert, den Konflikt beizulegen. Stattdessen hat Erdogan mit polemischen Äusserungen in den letzten Tagen noch zusätzlich Öl ins Feuer gegossen, indem er den Hungerstreik als Show abtat und am Wochenende die Wiedereinführung der vor zehn Jahren abgeschafften Todesstrafe ins Spiel brachte. Eine Mehrheit wünsche die Hinrichtung von Öcalan, der für den Tod von Zehntausenden verantwortlich sei, sagte Erdogan.

Furcht vor einer Spaltung

Die kurdischen Gefangenen und auch Politiker reagierten auf die Polemik mit einer Ausweitung des Hungerstreiks. Nach Angaben von BDP-Vertretern beteiligen sich mittlerweile mehrere tausend Gefangene und auch BDP-Abgeordnete am Hungerstreik. Arinc stellte klar, dass die Regierung nicht an die Wiedereinführung der Todesstrafe denke. Selbst wenn die geplante Sprachreform die Gefangenen zur Beendigung des Hungerstreiks bewegen sollte, ist der türkisch-kurdische Konflikt noch lange nicht gelöst. Dass hinter einer Selbstverständlichkeit wie der Verteidigung in der eigenen Muttersprache ausser den eingefleischten Nationalisten auch liberale Stimmen die Spaltung des Landes wittern, dürfte Erdogans Kompromissbereitschaft nicht stärken.

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