So brachte Ayhan Sürücü seine Schwester Hatun um

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Kudo21
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So brachte Ayhan Sürücü seine Schwester Hatun um

von Kudo21 am 26.07.2011 22:34

!!! Die Doku zu dem Tod ist heute : 26. Juli 2011, 22.30 - 23.10 Uhr WDR !!!





2005 wurde Hatun Sürücü in Berlin auf offener Straße erschossen – von ihrem Bruder. Zwei Journalisten konnten nun den Täter im Gefängnis interviewen.

Der Mann, der seine Schwester mit drei Schüssen in den Kopf getötet hat, bereitet türkischen Tee zu. Der Mörder hat lange, schlanke Finger und eine zierliche Figur. Seine Bewegungen sind langsam, überlegt. Sein nächster Satz nicht: "Mir war klar, dass ich sie töten werde, und ich habe niemanden gesehen, der mich davon abhalten könnte. Ich war damals regelrecht besessen."

Foto: ARD/rbb/Matthias Dei "Mir war klar, dass ich sie töten werde, und ich habe niemanden gesehen, der mich davon abhalten könnte. Ich war damals regelrecht besessen", sagt Ayhan Sürücü über den Mord an seiner Schwester Hatun

Ayhan Sürücü steht in einer kleinen Küche der Justizvollzugsanstalt Berlin-Charlottenburg, Haus 4. Zwei Jahre hat es gedauert, bis die Erlaubnis der Berliner Justiz für einen Besuch bei Ayhan Sürücü kam. Und auch er hat lange überlegt, aber jetzt will er reden. Über die Tat, die Deutschland bewegt hat. Über den "Ehrenmord" an Hatun Sürücü, seiner Schwester.

Inzwischen hat er den Tee in kleine Gläser gegossen. Der blasse, junge Mann in dem blau-grau gestreiften Pullover trägt sie in seine Zelle. Ein Dreitagebart betont sein hageres Gesicht. Die kurzen schwarzen Haare trägt er gescheitelt. Höflich bietet er in dem kleinen, sechs Quadratmeter großen Raum auf zwei Stühlen Platz an.

An der Wand hängt ein gewebter Teppich, auf dem das Heiligste aller Muslime zu sehen ist: Mekka, der Geburtsort des Propheten Mohammed. Über dem Bett liegt eine sorgsam ausgebreitete Tagesdecke. Unter dem Fenster steht ein kleiner Schreibtisch. Darauf liegen ordentlich gestapelte Papiere. Auf der Kommode gegenüber steht ein kleiner Flachbildfernseher. „Ordnung und Sauberkeit sind für mich extrem wichtig. Anders würde ich das hier drinnen nicht aushalten“, sagt Ayhan.

Für einen Moment huscht ihm dabei ein Grinsen über sein jugendliches Gesicht. Ein Mörder mit guten Manieren. Bei der Begrüßung hat er sich leicht nach vorn gebeugt. Seine Augen sind wach und doch seltsam verschlossen. Er weiß, dass er sich gleich vielen unangenehmen Fragen stellen muss. Fragen, die er sich schon oft selbst gestellt hat. Schon früh hat er in Haft eine Psychotherapie begonnen. Seit fast sechs Jahren liegt er abends, sagt er, grübelnd auf seinem Bett. Dabei kommen ihm immer wieder die Bilder vor Augen, Bilder vom Abend des 7. Februar 2005.
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An diesem Abend klingelt der achtzehnjährige Ayhan Sürücü gegen 20.15 Uhr an der Wohnungstür seiner Schwester Hatun. Was in der nächsten Dreiviertelstunde passiert, wird den Blick auf viele Muslime in Deutschland auf Jahre hinaus trüben. Große Teile muslimischen Lebens werden nach diesem Abend auf Zwangsheirat und Ehrenmord reduziert.

Hatun lebt in Berlin-Tempelhof. Ihre Zweizimmerwohnung liegt in der Nähe der lauten Oberlandstraße. Eine triste Gegend, Tausende Autos und Lastwagen rollen täglich durch diese Straße, die zur nahen Stadtautobahn führt. Dönerbuden, Kioske und türkische Frisiersalons prägen das Straßenbild. Hatun Sürücü lebt hier in einer schmucklosen Mietskaserne, aber sie kennt die Nachbarn und fühlt sich wohl. Für die junge Frau ist ihre kleine Wohnung im dritten Stock ein Ort der Freiheit, der Selbstbestimmung.

Eine Zigarette zu rauchen, war für sie ein Genuss der Freiheit

Der vier Jahre jüngere Ayhan besucht seine Schwester regelmäßig. Wie so oft ist er wütend auf sie. Die beiden streiten sich, wie immer geht es um Hatuns Lebensstil, den Ayhan als zu westlich kritisiert. Nach dreißig Minuten springt er auf. Er sagt, er wolle noch einen der Brüder treffen. Hatun entschließt sich, ihn zur Bushaltestelle zu begleiten.

Es ist ein klarer, kalter Abend. Hatun zieht sich nicht einmal eine Jacke an, sie wird ja in wenigen Minuten zurück sein. Zurück bei ihrem fünfjährigen Sohn, der im Bett liegt und schläft. Sie gehen die Treppe hinunter auf die Straße. Dort zündet sich Hatun eine Zigarette an. Seit sie allein lebt, hat sie das Rauchen angefangen.

Auch das ist ein Ausdruck ihrer Freiheit. In der anderen Hand hält sie eine rote Kaffeetasse, die ihre kalten Finger wärmt. Bruder und Schwester gehen die etwa dreihundert Meter zur Bushaltestelle an der Oberlandstraße nebeneinander her. Sie streiten weiter, erst verhalten, dann immer heftiger.

Plötzlich zieht Ayhan eine Pistole aus seiner Jackentasche. Er sieht in die Augen seiner erschrockenen Schwester. Sie fragt ihn: „Was soll das?“ – „Ich will nur in die Luft schießen“, beruhigt er sie. Dann aber fragt er: „Bereust du deine Sünden?“ Weil sie in diesem Moment begreift, was er vorhat, bejaht sie die Frage und fleht ihn an: „Bitte, tu es nicht!“

Von den vorbeifahrenden Autos hält keines an. Ayhan Sürücü richtet die Waffe auf seine Schwester – und schießt. Die Kugel trifft Hatun aus kürzester Distanz an der rechten Stirnseite. Ein sogenannter Steckschuss, der laut Obduktionsbericht Verletzungen des rechten Scheitellappens und Brüche des Schädeldaches verursacht.

Ayhan feuert noch zwei weitere Schüsse auf Hatuns Kopf ab; dabei steht er weniger als eine Armlänge von seinem Opfer entfernt. Treffer zwei und drei verletzen das Großhirn, den Unterkiefer und die Zunge. Hatun lässt die Kaffeetasse fallen. Taumelt einige Meter weiter. Sie bricht zusammen, bleibt auf dem Rücken liegen – stirbt auf dem Asphalt an der Bushaltestelle Oberlandstraße. Es ist 20.55 Uhr. Neben ihrer Leiche liegt die zerbrochene Kaffeetasse, in ihrer Hand die erloschene Zigarette.

Das Gericht urteilt, Ayhans Tat war ein "kaltblütig umgesetzter Mord"

Zeugen sagen später aus, ein junger, dunkel gekleideter Mann habe sich unmittelbar nach den Schüssen über die Frau gebeugt, als wolle er nachsehen, ob sie tot ist. Für die Richter am Berliner Landgericht war das ein „kaltblütig umgesetzter Mord“. So steht es in der Urteilsbegründung. Einen kaltblütigen Mörder aber stellt man sich anders vor.

Nicht mit diesem freundlichen Lächeln im Gesicht, wenn er Tee nachschenkt. Seine ganze Erscheinung, seine Art zu sprechen und seinem Gegenüber dabei in die Augen zu blicken – alles wirkt ruhig, aber bestimmt, manchmal durchdringend und vor allem: bereit, über sich und seine Geschichte zu reden.

Bis heute weiß niemand, was in den Monaten vor diesem 7. Februar 2005, vor dem Mord an Hatun Sürücü, wirklich passiert ist. War es ein Familienkomplott, wie die Berliner Staatsanwaltschaft bis heute vermutet? Haben die Sürücüs gemeinsam beschlossen, dass die älteste Tochter Hatun, von allen Aynur genannt, sterben muss? Aynur heißt so viel wie: Jemand, der so hell leuchtet wie der Mond. Ein Rufname, den Hatun mochte. Der gut zu ihr passte.

Ayhan Sürücü wächst mit vier Brüdern und vier Schwestern bei seinen Eltern in Kreuzberg auf. Vater Kerem Sürücü, ein Gärtnergehilfe aus einem Dorf in der ostanatolischen Provinz Erzurum, kommt 1971 nach West-Berlin. Seine Frau Hanim folgt ihm sieben Jahre später mit den beiden ältesten Söhnen, die in der Heimat geboren sind.

Sie hat nie eine Schule besucht. Kerem Sürücü ist inzwischen Hilfsarbeiter in einer Großbäckerei. Die Familie Sürücü bewohnt an einer vierspurigen Straße am Kottbusser Tor eine etwa hundert Quadratmeter große Vierzimmerwohnung. Wenn Bekannte die Familie besuchen, halten sich Männer und Frauen in getrennten Räumen auf. Die Frauen tragen Kopftücher.

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Antworten Zuletzt bearbeitet am 26.07.2011 22:35.

PerwinPepuk

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Re: So brachte Ayhan Sürücü seine Schwester Hatun um

von PerwinPepuk am 26.07.2011 22:49

das ist einfach nur tragisch...

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Re: So brachte Ayhan Sürücü seine Schwester Hatun um

von PiskopataAmede am 27.07.2011 02:33

Der Film "Verlorene Ehre – Der Irrweg der Familie Sürücü" wird am 27. Juli um 23 Uhr in der ARD ausgestrahlt.



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Amara

Antworten Zuletzt bearbeitet am 27.07.2011 02:34.

PiskopataAmede

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Re: So brachte Ayhan Sürücü seine Schwester Hatun um

von PiskopataAmede am 27.07.2011 22:29

Der Film "Verlorene Ehre – Der Irrweg der Familie Sürücü"
wird heute um 23 Uhr in der ARD ausgestrahlt !


Quelle

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Amara

Antworten Zuletzt bearbeitet am 27.07.2011 22:30.

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Re: So brachte Ayhan Sürücü seine Schwester Hatun um

von Azadiyakurdistan am 08.02.2012 02:14

Erinnerung an Xatûn Sûrûcû


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Azad

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