Abdullah Öcalan wird "binnen Tagen" zum Waffenstillstand aufrufen.

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Abdullah Öcalan wird "binnen Tagen" zum Waffenstillstand aufrufen.

von Azadiyakurdistan am 15.03.2013 01:31

PKK-Chef Öcalan als Steigbügelhalter für Erdogan?

Abdullah Öcalan wird "binnen Tagen" zum Waffenstillstand aufrufen. Dank der "zwei sehr starken Führer Öcalan und Erdogan" – so die Kurdenpartei BDP – gibt es Hoffnung auf eine historische Aussöhnung. Von Boris Kálnoky

Der Ko-Vorsitzende der türkischen Kurdenpartei BDP, Selahattin Demirtas, war überraschend nicht zum Pressetermin gekommen – offenbar leichte Herzprobleme. Es mochte am Gehalt der Nachrichten liegen, die zu verkünden waren, was nun seine Mit-Vorsitzende Gülten Kisanak übernahm. Was sie sagte, klang wie eine Ankündigung der bedeutendsten Entwicklung in der Türkei seit ihrer Gründung: Es gebe echte Chancen auf eine fundamentale Aussöhnung zwischen Türken und Kurden, und deren formale Anerkennung als Minderheit in der türkischen Verfassung. "Es ist ein historischer Augenblick", sagte sie.

Binnen Tagen, noch vor dem kurdischen Newroz-Fest am 21. März, "erwarten wir einen Aufruf von Herrn Öcalan zu einem Waffenstillstand", sagte Frau Kisanak. Dieses "Herr Öcalan" allein zeugte von ganz neuen Umständen. Noch vor nicht allzu langer Zeit konnte man dafür ins Gefängnis kommen, wenn man den inhaftierten PKK-Chef Abdullah Öcalan "Herr" nannte.
Kisanak tat mehr als das: sie stellte ihn verbal ebenbürtig neben den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. "Herr Öcalan und Herr Ministerpräsident Erdogan sind zwei sehr starke Führer", sagte sie. "Und das hilft, wenn man in einem solchen Konflikt Frieden erreichen will."

Öcalan soll Erdogan zu Präsidentschaft verhelfen

Doch der Reihe nach. Ende vergangenen Jahres hatten Vertreter der türkischen Staatssicherheit die Gefängnisinsel Imrali, wo Öcalan eine lebenslange Haftstrafe absitzt, aufgesucht und mit ihm verhandelt. Dann waren im Laufe der letzten Wochen zwei Delegationen der BDP zu ihm gelassen worden – ein Aufsehen erregendes Novum. Der erste Besuch diente offenbar einer grundlegenden Besprechung. Beim zweiten ging es bereits um konkrete Inhalte eines Friedensplanes.

Die Details wurden später von der Zeitung "Milliyet" an die Öffentlichkeit gebracht, wobei das Brisanteste die Auskunft war, dass Öcalan sich offenbar bereit erklärte, Erdogans Steigbügelhalter zu werden, wenn dieser ein Präsidialsystem einführen und selbst Präsident werden wolle. Öcalan, so hieß es im durchgesickerten Gesprächsprotokoll, wolle die Einführung eines Präsidialsystems unterstützen, "wenn es nach amerikanischem Vorbild und wenn der Präsident Erdogan ist."

Laut Angaben der BDP war die Quelle der Indiskretion jemand aus ihrem eigenen Umfeld gewesen. Erdogan tobte, drohte "Milliyet", die Zeitung sei "gegen mich und meine Regierung", und forderte Preisgabe der Quelle. Frau Kisanak nahm indirekt darauf Bezug, als sie nun sagte: "Wir wollen größtmögliche Transparenz für diesen Friedensprozess" – im Gegensatz zu Erdogan, der angesichts der Empfindlichkeiten in der türkischen Öffentlichkeit größtmögliche Vertraulichkeit für besser hält.

Mehr Freiräume zu Selbstbestimmung für Kurden

Zur Frage des Präsidialsystems und der BDP-Haltung dazu sagte Frau Kisanak: "Wir brauchen eigentlich eine Stärkung des parlamentarischen Systems. Aber wenn es darum geht, ein Präsidialsystem einzuführen, das demokratisch und frei ist, das Gewaltenteilung vorsieht mit den Regionen und Gemeinden, dann kann man darüber reden." Mit anderen Worten: Unterstützung einer Präsidentschaft Erdogans gegen das Versprechen, den Staatsapparat zu dezentralisieren – die kurdischen Regionen erhielten so mehr Freiräume zur Selbstbestimmung.

Erdogan hatte erst vor wenigen Wochen der nationalistischen und säkularen Opposition gedroht, er werde eine neue Verfassung ohne sie durchbringen, gemeinsam mit den Kurden. Großer Radau auf den Oppositionsbänken war die Folge.

Jedenfalls hatte Öcalan nach dem Besuch der zweiten BDP-Delegation im Gefängnis einen langen Brief geschrieben, an die jeweilige Führung der BDP, der PKK und der Kurdenorganisationen in Europa. Darin schilderte er seine Vorschläge für einen umfassenden Friedensplan. "Das war aber nicht als letztes Wort gemeint, sondern als Diskussionsgrundlage, Herr Öcalan erbat die Meinungen aller Betroffenen", sagt Frau Kisanak.

Das sei nun erfolgt, man habe eine Antwort formuliert, und diese Antwort werde demnächst eine weitere BDP-Delegation zu Öcalan nach Imrali bringen. Danach werde man zu einer gemeinsamen Marschrichtung finden, inhaltlich seien dabei "auch bereits die Ansichten der türkischen Seite berücksichtigt worden".

Freilassung Öcalans gut möglich

Insofern die Aussagen von Frau Kisanak demzufolge als Indiz dafür gelten können, was die Regierung in Ankara zu erwägen bereit ist, steht demnächst tatsächlich Sensationelles bevor. Zunächst müsse man gewisse "legale Hürden" aus dem Weg schaffen", sagte die BDP-Führerin, denn "unter geltendem Recht kann es sogar ein Verbrechen sein, über diese Dinge zu verhandeln". Danach müsse "das Parlament formale Mechanismen für den Verhandlungsprozess schaffen, in Form von "Kommissionen". Und zudem müssten die türkischen Behörden einen Waffenstillstand ausrufen.

Auf kurdischer Seite komme "Herrn Öcalan" die zentrale Rolle zu, er sei der Koordinator, der die Menschen einen könne, diese Chance müsse man nutzen. Und ihm die Freiräume geben, die er braucht, um diese Funktion zu erfüllen. Insofern werde das Newroz-Fest am 21. März, mit Öcalans erwartetem Aufruf zum Waffenstillstand und zu Friedensverhandlungen, unter einem zentralen Motto stehen: Freiheit für Öcalan.

Seine Freilassung sei zwar nicht Vorbedingung und auch nicht Priorität der Gespräche, sagte Frau Kisanak. Aber seine Freilassung sei "ein Muss", und eine Sache, "die im Verlauf der Friedensgespräche entschieden werden wird." Das klang fast so, als habe Herr Erdogan eine Freilassung des Herrn Öcalan zumindest in Aussicht gestellt, wenn alles gut geht.

Natürlich sei man sich nicht einig, sagte Frau Kisanak. "Beide Seiten streben unterschiedliche Ziele an. Die türkische Seite will einen Waffenstillstand. Und die Kurden wollen "einen verfassungsmäßigen Status". Aber man müsse auf einander zugehen und einen Kompromiss finden. Die Zeit dazu sei reif, bei den Kurden, bei der Regierung, und auch in der öffentlichen Meinung.

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