Iran stoppt geplante Blendung vorerst

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firat47
Gelöschter Benutzer

Iran stoppt geplante Blendung vorerst

von firat47 am 14.05.2011 10:49

Die für heute geplante Blendung eines Mannes ist von der iranischen Justiz vorerst gestoppt worden. Gründe wurden nicht genannt. Amnesty International hatte das Land zuvor aufgefordert, die "inhumane und grausame" Bestrafung zu verhindern.

Dem Mann hätte Säure in beide Augen geträufelt werden sollen, um ihn blind zu machen. Die für den Mittag vorgesehene Urteilsvollstreckung wurde ohne Angaben von Gründen verschoben. Laut der Nachrichtenagentur ISNA wurde bislang kein neuer Termin für die Vollstreckung eines Gerichtsurteils genannt. Auge um Auge - dieses Prinzip wirkt brutal und veraltet. Trotzdem wollte die Iranerin Ameneh Bahrami ihrem Peiniger fünf Tropfen Säure in jedes Auge tröpfeln.

Amnesty apelliert an Behörden
Sechseinhalb Jahre nach einem Säure-Attentat, bei dem sie erblindete, sollte dem Täter das gleiche Leid zugefüt werden. Die Frau hatte vor Gericht erstritten, dass sie ihren Peiniger nach dem Prinzip Auge um Auge bestrafen kann. Er sitzt wegen der Tat bereits im Gefängnis. Ameneh Bahrami, die seit längerem in Spanien lebt, war zur Vollstreckung des Gerichtsbeschlusses extra nach Iran gereist.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte die iranischen Behörden aufgefordert, die Bestrafung zu unterbinden. Die Vollstreckung des Urteils müsse verhindert werden, heißt es in einer Stellungnahme von Amnesty. "Es ist unglaublich, dass die iranischen Behörden solch eine Bestrafung in Erwägung ziehen", sagte Hassiba Hadj Sahraoui, stellvertretender Direktor des Nahost- und Nordafrikaprogrammes von Amnesty. Blendung mit Säure sei inhuman und grausam bis hin zur Folter. Die iranischen Behörden hätten eine Verantwortung unter internationalem Recht, dies zu verhindern.

Bahrami: Genugtuung und Abschreckung
"Das wird für mich nicht nur eine Genugtuung für all das Leid, das mir angetan wurde, sondern auch eine Initiative, um Täter vor solchen Aktionen abzuschrecken", hatte dagegen die 32-Jährige Ameneh Bahrami in einer Presseerklärung mitgeteilt. Ein damaliger Verehrer und Mitstudent, Madschid Mowahedi, hatte Bahrami im November 2004 Schwefelsäure ins Gesicht geschüttet. Grund war ihre Zurückweisung seiner Gefühle. Trotz zahlreicher Operationen ist ihr Gesicht weiter verunstaltet, die Haut ist narbig und gespannt.


Nach islamischen Gesetzen gibt es das Auge-um-Auge-Prinzip, das dem Opfer erlaubt, dem Täter das gleiche Leiden zuzufügen. Nach dem Gerichtsurteil darf sie dem Attentäter in einem Krankenhaus mit einer Pipette Säure in die Augen träufeln. Er soll dabei betäubt werden. Offen war, ob sie das Urteil selbst ausführen oder - wegen ihrer Blindheit - ein Familienmitglied die Blendung übernehmen sollte. Nach Angaben des mvg-Verlags in München wollte die Frau es aber selbst tun. In dem Verlag ist die Geschichte Ameneh Bahramis erschienen.

Experte: Antiquiert und unverständlich
Der Fall und die Entscheidung des Gerichts aus dem Jahr 2008 hatten weltweit für Aufsehen gesorgt. Auch iranische Stellen hatten versucht, das Opfer umzustimmen und dazu zu bewegen, auf die Vollstreckung zu verzichten. Ameneh Bahrami selbst sagte nach Angaben von ISNA jetzt: "Es muss sein, nicht nur meinetwegen, sondern auch um solchen grausamen Aktionen ein Ende zu setzen, damit andere Frauen nicht das gleiche Schicksal erleiden wie ich."


Der deutsche Orient-Experte Gunter Mulack bezeichnete das geplante Vorgehen als aus unserer Sicht "antiquiert" und "unverständlich". Es sei zwar "gedeckt durch archaische Prinzipien des islamischen Rechts, der Scharia", sagte der Leiter des Deutschen Orient-Instituts in Berlin. Aber auch im arabischen Raum sei die Umsetzung solcher Richtersprüche zur Ausnahme geworden. Derartige Urteile könnten zum Beispiel durch Geldzahlungen ersetzt werden.

ZDFheute

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firat47
Gelöschter Benutzer

Re: Iran stoppt geplante Blendung vorerst

von firat47 am 14.05.2011 10:50

"Auge um Auge" im Koran

Der Koran kennt das biblische Prinzip "Auge um Auge" in Sure 5,45. Das Zitat betont das grundsätzliche Vergeltungsrecht. Opferangehörige können aber auf die ihnen zustehende Vergeltung verzichten und damit Sühne für eigene Sünden erwirken. Der Folgevers erlaubt Opferverwandten zudem, statt auf einer Tötung zu bestehen eine Ersatzleistung zu verlangen - etwa das in Iran übliche "Blutgeld".

Nach Meinung der islamischen Theologin Hamideh Mohagheghi lässt sich das Auge um Auge-Prinzip und die damit verbundene aktuelle Vergeltung der Iranerin Amene Bahrami theologisch nicht begründen. Koranverse müssten immer im Kontext der jeweiligen Zeit gedeutet werden und solch archaische Strafmassnahmen seien heute ähnlich der Steinigungsstrafe bei Ehebruch oder der Amputation von Gliedmaßen bei Diebstahlvergehen nicht anwendbar. Der Koran empfehle die Vergebung. Schließlich stehe im Koran das über allem stehende Prinzip des Rechtes auf Leben und der Unversehrtheit in Sure 5:32:

"Wenn jemand einen Menschen tötet, ohne dass dieser einen Mord begangen hätte, oder ohne dass ein Unheil im Lande geschehen wäre, soll es so sein, als hätte er die ganze Menschheit getötet; und wenn jemand einem Menschen das Leben erhält, soll es so sein, als hätte er der ganzen Menschheit das Leben erhalten." (5:32)


In islamischen Staaten kann die Scharia wegen verschiedener Rechtsschulen sehr unterschiedlich ausgelegt werden. Die Rechtsprechung hängt vom jeweiligen Meinungs- und Handlungskonsens der Theologen ab. Körperstrafen wie die Handamputation bei Diebstahl oder die Steinigung bei Ehebruch sind jedoch unter anderem in Saudi-Arabien, Iran und dem Jemen bis heute üblich.

ZDFheute

Antworten Zuletzt bearbeitet am 14.05.2011 10:51.

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