Bombe offenbar Attrappe, dennoch verschärfter Alarm

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devrim_
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Bombe offenbar Attrappe, dennoch verschärfter Alarm

von devrim_ am 19.11.2010 12:16

Auch wenn die Bombe nur eine Attrappe war, die Polizei hält die Anschlagsgefahr für größer als je zuvor. Es gibt aber auch Zweifel an der Terror-Warnung.

Die wegen der Terrorbedrohung verschärften Sicherheitskontrollen in Deutschland müssen nach Polizei-Einschätzung mindestens bis zum Jahresende aufrechterhalten werden. „Die Sicherheitsbehörden stellen sich darauf ein, dass der Ausnahmezustand mindestens bis zum Jahresende anhält“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Für Dezember geplante Urlaube und freie Tage seien Polizisten vielerorts bereits gestrichen worden.

Nach Ansicht des Chefs der Bundespolizei, Matthias Seeger, ist die Anschlagsgefahr derzeit größer als je zuvor. „Auf einer Skala von eins – keine Gefahr – bis zehn – akute Anschlagsgefahr – liegen wir im Moment bei 9,0“, sagte er der „Bild“-Zeitung.

Alarmstufen bei der Abwehr von Terrorgefahren
In Großbritannien und den USA gibt es mehrstufige Alarmsysteme zur Abwehr von Terrorgefahren. Je nach Warnstufe ergreifen die Sicherheitsbehörden bestimmte Maßnahmen. In Deutschland richtet sich der Handlungsbedarf nach aktuellen "Gefährdungsbewertungen". Hier ein Überblick über die angelsächsischen Systeme:

Das ZDF und der US-Sender CNN berichteten, dass das vor einem Air-Berlin-Flug nach Deutschland in Namibia gefundene verdächtige Gepäckstück keinen Sprengsatz enthalten habe. Es handelte sich offensichtlich um eine Art Testlauf mit einem Dummy einer Behörde, berichtete das „heute journal“ am Donnerstagabend unter Berufung auf US-Sicherheitsbeamte. Wie CNN meldete, habe auch Air Berlin bestätigt, dass die verdächtige Computertasche keinen Sprengstoff enthielt. Wegen des Bombenverdachts war die Maschine von Windhuk nach München mehrfach kontrolliert worden und mit Stunden Verspätung abgeflogen.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) äußerte sich im ZDF zurückhaltend zu dem Gepäckstück. Befragt nach Angaben, wonach es sich um eine Sprengsatz-Attrappe handelt, wie sie die Amerikaner zu Testzwecken benutzen, sagte der Minister, er wolle auf die Auskünfte seiner Sicherheitsexperten warten. Das Bundeskriminalamt hat Experten nach Namibia entsandt, deren Untersuchung des Pakets noch nicht abgeschlossen ist.

Bewaffnete Polizisten an Flughäfen und Bahnhöfen


Vor dem Hintergrund der gestiegenen Terrorgefahr will die schwarz- gelbe Koalition die Sicherheitsbehörden mit 600 neuen Stellen verstärken. FDP-Haushalts- und Innenexperte Florian Toncar sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Die Koalition will im nächsten Jahr unter dem Strich 600 zusätzliche Stellen bei Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Zoll schaffen.“ Er gehe davon aus, dass das Gros für die Bundespolizei eingesetzt werde. Bislang hatte die Bundesregierung die Streichung von bis zu 1000 Stellen bei der Bundespolizei in den kommenden vier Jahren geplant.
Die Innenminister von Bund und Ländern setzen heute ihre Herbstkonferenz in Hamburg fort, bei der neben der aktuellen Terrorbedrohung der Streit um die Vorratsdatenspeicherung ein zentrales Thema ist.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger lehnt neue Sicherheitsgesetze vor dem Hintergrund der aktuellen Terrorwarnungen ab. „Man darf diese schwierige Sicherheitslage und die Terrordrohungen jetzt nicht politisch instrumentalisieren“, sagte die FDP-Politikerin in der „Passauer Neuen Presse“. De Maizière hatte sich zuvor ähnlich geäußert.
Die Justizministerin sagte, Polizei und Sicherheitsbehörden müssten Präsenz zeigen, und der Schutz möglicher Angriffsziele müsse auf der Grundlage der geltenden Gesetze erhöht werden. Sie widersprach Warnungen vor Schutzlücken. Forderungen nach Wiedereinführung der pauschalen Vorratsdatenspeicherung lehnte sie erneut ab.
Unterstützung erhielt Leutheusser-Schnarrenberger vom Vorsitzenden der Justizministerkonferenz, Hamburgs Ressortchef Till Steffen (Grüne). Er sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Es ist unredlich, die aktuelle Terrorwarnung dafür zu missbrauchen, neue Sicherheitsgesetze wie die Vorratsdatenspeicherung zu fordern.“

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar warnte vor schnellen Reaktionen der Politik. „Bei jeder Terrorwarnung kommt reflexartig der Ruf nach schärferen Gesetzen. Die Entscheidung über eine Neuregelung darf aber nicht über das Knie gebrochen werden“, forderte der Datenschützer. Dem Ruf nach Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung erteilte auch er eine Absage. Wenn über ein halbes Jahr registriert würde, wer mit wem telefoniert habe und wer mit welcher Identität im Internet unterwegs gewesen sei, wäre dies „ein viel zu weitgehender Eingriff in unsere Grundrechte“, warnte Schaar.
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), sagte der „Mitteldeutschen Zeitung“ ebenfalls: „Das ist jetzt nicht die Stunde für gesetzgeberischen Aktionismus.“ Das ist jetzt die Stunde der Exekutive und der Sicherheitsbehörden.“

Der stellvertretende innenpolitische Sprecher der SPD- Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, sprach sich hingegen für Vorratsdatenspeicherung und Online-Durchsuchung aus. Er sagte der Mainzer „Allgemeinen Zeitung“: „Man muss unseren Sicherheitsbehörden unter strengen rechtsstaatlichen Auflagen die Möglichkeit geben, zur Verbrechensbekämpfung auf gespeicherte Internet-Adressen zuzugreifen.“ Er empfinde Beklommenheit, dass Deutschland bei der Terrorbekämpfung auf „Brosamen befreundeter Nachrichtendienste“ angewiesen sei: „Wenn ausländische Dienste Online-Durchsuchungen vornehmen und uns Ergebnisse liefern – warum machen wirs dann nicht lieber selbst?“

Grünen-Fraktionsvize Hans-Christian Ströbele warf dem Innenminister vor, das Parlament unzureichend über die Hintergründe der am Mittwoch ausgesprochenen Terrorwarnung zu informieren. Er äußerte sich skeptisch zur Glaubwürdigkeit der Terrorwarnung. (Lesen Sie hier die Warnung des Innenministers im Wortlaut.) In den vergangenen Jahren seien schließlich immer wieder derartige Warnungen herausgegeben worden, begründete er seinen Zweifel. Vielmehr habe er den Verdacht, die Bundesregierung verstärke die Terrorangst, um die Sicherheitsgesetze zu verschärfen und die Vorratsdatenspeicherung durchzusetzen. Ströbele gehört auch dem parlamentarischen Kontrollgremium an, das die Arbeit der Geheimdienste überprüfen soll.

Ströbeles Parteifreundin Claudia Roth hingegen lobte de Maizières Umgang mit der Terrorgefahr. „Ich finde sehr angenehm und sehr gut, dass der Bundesinnenminister jetzt ruhig ist“, sagte die Grünen-Politikerin am Freitag. „Es gibt aber schon wieder Stimmen, die diese Situation, eine angespannte Situation, ausnutzen wollen, um alte Modelle aus der inneren Aufrüstung vorzuschlagen“, fügte Roth hinzu.

Hamburgs Innensenator Heino Vahldiek (CDU) forderte die Bevölkerung erneut dazu auf, die Augen offenzuhalten. „Der berühmte herrenlose Koffer“ solle nicht ignoriert werden und die Polizei lieber „einmal zu viel als einmal zu wenig“ gerufen werden.


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