»Das Verfahren hat politischen Hintergrund«
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GulaKurdistane
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»Das Verfahren hat politischen Hintergrund«
von GulaKurdistane am 13.12.2010 14:48 Mit Hilfe der deutschen Justiz geht die Türkei gegen eine kurdische Zeitung vor. Ein Gespräch mit Özgür Recberlik
Özgür Recberlik ist verantwortlicher Redakteur der im hessischen Neu-Isenburg erscheinenden prokurdischen Tageszeitung Yeni Özgür Politika, die europaweit in einer Auflage von 10000 Exemplaren vertrieben wird
Die Staatsanwaltschaft Darmstadt hat ein Ermittlungsverfahren gegen die Yeni Özgür Politika wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz – also das PKK-Verbot – eingeleitet. Was wird Ihnen als verantwortlichem Redakteur konkret vorgeworfen?
Der Zeitung wird konkret vorgeworfen, das Symbol des Dachverbandes »Gemeinschaft der Gesellschaften Kurdistans« (KCK) bzw. der »Nationalen Befreiungsfront Kurdistans« (ERNK) abgedruckt zu haben. Diese Symbole sind als Illustration zu Artikeln über die KCK abgedruckt worden. Die Staatsanwaltschaft schreibt in ihrer Anklageschrift, daß es sich bei diesen Emblemen um »verbotene Symbole« handele, daß »die ausländische Vereinigung PKK (…) in Deutschland einem Betätigungsverbot unterliegt und es insbesondere verboten ist, Kennzeichen dieser Vereine öffentlich zu verwenden und zu verbreiten«.
Auch Zeitungen und Zeitschriften wie Spiegel, Focus oder die Bild bringen immer wieder Fotos, auf denen solche Embleme zu sehen sind. Warum denken Sie, daß gegen diese Medien nicht ermittelt wird?
Schon die Vorgeschichte zeigt, daß wir es hier nicht mit einem normalen Rechtsverfahren zu tun haben. Denn dieses Verfahren ist aufgrund von vier Anzeigen der türkischen Botschaft in Berlin eröffnet worden. Es ging unter dem Betreff »Rechtshilfeverkehr in strafrechtlichen Angelegenheiten mit der Türkei« über das hessische Innenministerium und die Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt/Main an die Staatsanwaltschaft in Darmstadt, die dann im vergangenen Monat Anklage erhoben hat. Da hier auf den Druck der Türkei hin ein Verfahren gegen die einzige in Europa erscheinende kurdische Tageszeitung eröffnet wird, ist klar, daß es sich um ein Verfahren mit politischem Hintergrund handelt.
Wie ist der Stand des Verfahrens?
Unser Anwalt hat Widerspruch eingelegt. Momentan warten beide Seiten auf eine Antwort vom Gericht bzw. einen Gerichtstermin.
Welche Bedeutung hat die Yeni Özgür Politika für in Deutschland und Europa lebende kurdischstämmige Migranten?
Wir sind die einzige in Europa erscheinende kurdische Tageszeitung, die einerseits über die aktuellen Entwicklungen in der Heimat der hier lebenden Kurden berichtet und andererseits das Augenmerk auf die Situation in Europa legt. Das Blatt setzt sich also auch mit der Situation der Migranten und der Integrationsdebatte kritisch auseinander. Außerdem ist unsere Zeitung zweisprachig – wir schreiben in türkischer und in kurdischer Sprache.
Der Verfassungsschutz wirft der Yeni Özgür Politika vor, ein Sprachrohr der PKK zu sein. 2005 wurde ihre Vorgängerzeitung Özgür Politika deswegen ebenfalls vorübergehend verboten. Wie ist das Verhältnis Ihrer Zeitung zur PKK?
Wir sehen die PKK als Ergebnis einer vom türkischen Staat geführten Vernichtungs- und Verleugnungspolitik an den Kurden. Aber wir sind kein Sprachrohr. Wir versuchen, unseren journalistischen Prinzipien gerecht zu werden, indem wir durch unsere Berichterstattung einen Beitrag leisten zu einer politischen Lösung der kurdischen Frage und zu einem Dialog zwischen den Völkern. Wenn sich diese Bemühungen für eine Lösung eher im Spektrum der PKK zentralisieren, dann ist es normal, daß wir im Schnitt mehr über sie berichten. Letztendlich spiegeln wir Realitäten wider.
Inwieweit sehen Sie im Ermittlungsverfahren gegen die Yeni Özgür Politika Parallelen zum Vorgehen der türkischen Justiz gegen die prokurdische Presse in der Türkei?
In der Türkei sind ungezählte Zeitungen verboten worden, und viele Journalisten befinden sich mit teilweise galaktischen Strafen im Gefängnis. Auch dort wird jede nicht prostaatliche Berichterstattung über die kurdische Bewegung kriminalisiert. Alle Zeitungsverbote in der Türkei und alle Gefängnisstrafen gegen Journalisten wurden mit »Unterstützung einer terroristischen Organisation« begründet. Die Türkei wird auch von Deutschland immer wieder aufgrund der fehlenden Pressefreiheit gegeißelt. Daß Deutschland gegen prokurdische Medien ebenso agiert, zeigt die übereinstimmenden politischen Interessen beider Länder.
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