Demokratische Autonomie - politisches Konzept aufseiten der Kurden

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firat47
Gelöschter Benutzer

Demokratische Autonomie - politisches Konzept aufseiten der Kurden

von firat47 am 02.12.2011 18:19

Lesen lohnt sich.

Frankfurt/Main - Vom Ziel eines eigenen Staates hat sich die kurdische Rebellenorganisation PKK in der Türkei schon in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts verabschiedet. Was folgte, war der Kampf für kaum näher bezeichnete Autonomie und kulturelle Rechte. Seit geraumer Zeit nun liegt ein ausgearbeitetes Konzept vor, aufgrund dessen die Kurden ihrem Ziel von mehr Selbstbestimmung näher kommen wollen: Es heißt "Demokratische Autonomie".

Das Konzept wurde von dem seit mehr als zehn Jahren auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali im Marmarameer einsitzenden PKK-Chef Abdullah Öcalan erdacht. In seinem Buch "Jenseits von Staat, Macht und Gewalt" entwickelt er ausführlich die theoretischen Grundlagen. Demnach ist die Orientierung auf einen Staat die Quelle allen Übels, denn Staaten bringen automatisch Gewalt und Unterdrückung mit sich. "Der Staat ist vielleicht das gefährlichste Instrument der Geschichte...", schreibt Öcalan dazu.

Öcalan hat dies mit grundsätzlichen politisch-philosophischen Analysen untermauert. Denkbar ist aber auch, dass er damit die Konsequenz aus dem Scheitern des Kampfes für einen eigenen Kurdenstaat zieht - ein uralter Traum, der nur einmal 1946 kurz in der "Mahabad-Republik" im Iran verwirklicht war, und dem heute die Kurden in der nordirakischen Autonomiezone am nächsten sind.

Die Kurden sollen dem Konzept gemäß ihre Autonomie von unten, von der Basis der Kommunen und Regionen aus, entwickeln und verwirklichen. In den vergangenen Jahren hat sich dies beispielhaft auf den Streit um die Zulassung der kurdischen Sprache zugespitzt. Zwar hat der türkische Staat unter der islamischen Regierung des Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan hier Zugeständnisse gemacht. Kurdisch ist nicht mehr generell verboten in der Türkei. Es gibt kurdische Fernsehsendungen und sogar Fakultäten an Universitäten, die sich unter dem Oberbegriff "lebendige Sprachen" damit beschäftigen.

Doch das ist der PKK und ihr nahestehenden Organisationen nicht genug. Sie wollen mehr als Privatschulen mit muttersprachlichem Unterricht: "Der Anspruch geht auf gleichberechtigte Einrichtung derartiger Möglichkeiten im staatlichen Schul- und Erziehungswesen", heißt es in einem ausführlichen Konzeptpapier, an dem der deutsche Völkerrechtsprofessor Norman Paech mitgearbeitet hat. Es wurde zu Beginn diesen Jahres bei einem "Kongress für eine demokratische Gesellschaft" (DTK) in der türkischen Kurdenmetropole Diyarbakir vorgestellt.

Innerhalb der bestehenden Staatsgrenzen soll die Demokratische Autonomie den Kurden ihre Grundrechte sichern, die ihnen oft genug und auch in der Gegenwart verwehrt worden seien. Das Konzept, das für alle Minderheiten in der Türkei und sogar den Nachbarstaaten gelten soll, teilt die Gesellschaft in acht "Dimensionen" auf: Politik, Recht, Selbstverteidigung, Soziales, Wirtschaft, Kultur, Ökologie, Diplomatie. In jeder Dimension sollen die Kurden ihren politischen Willen entwickeln und durchsetzen.

Im Kapitel über die juristische Dimension heißt es: "Wir betrachten die Türkei und Kurdistan als gemeinsame Heimat. Das Rechtssystem der demokratischen Autonomie muss von einer neuen Verfassung der Republik Türkei und dem EU-Recht anerkannt und sein Funktionieren über gegenseitige verbindliche Erklärungen gesichert werden."

Zur Dimension "Selbstverteidigung" ist zu lesen, wegen ihrer Unterdrückung in der Geschichte müsse den Kurden das Recht auf Selbstverteidigung garantiert werden. Großer Wert wird auf die Gleichberechtigung von Frauen und Jugendlichen sowie auf den Schutz der Natur gelegt.

Grundlage des Konzepts ist die UN-Deklaration über die Prinzipien des Völkerrechts von 1970. Demnach "haben alle Völker das Recht, frei und ohne Einmischung von außen über ihren politischen Status zu entscheiden und ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung zu gestalten, und jeder Staat ist verpflichtet, dieses Recht im Einklang mit den Bestimmungen der Charta zu achten....".

Vorbild sind Autonomiestatute in Schottland, Wales, Katalonien oder dem Baskenland. Der Vorstellung nach sollen die Kurden in allen vier Staaten, auf die sie heute aufgeteilt sind, ähnliche Rechtspositionen erhalten und so in einem konföderativen Gebilde zusammenleben können.

Zweifelhaft ist, ob die im Nordirak regierenden Parteien sich dem anschließen würden. Manche argwöhnen, dahinter stehe ein Hegemonialanspruch der PKK über alle Kurden. Die kurdische Parteienlandschaft ist in allen ihren Siedlungsgebieten (Türkei, Iran, Irak, Syrien) zersplittert. Einer neueren Umfrage zufolge stehen etwa 30 Prozent der etwa 20 Millionen türkischer Kurden hinter der PKK.

In der Türkei haben Kurden in verschiedenen Kommunen unter dem Dach einer "Gesellschaft der Kommunen Kurdistans" (KCK) bereits daran gemacht, das Konzept umzusetzen. Dabei geht es um Krankenversorgung, Erziehung und sonstige Infrastruktur. Der türkische Staat hat mit harten Maßnahmen darauf geantwortet und zu verstehen gegeben, dass er einen solchen "Staat im Staate" nie dulden würde.

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Antworten Zuletzt bearbeitet am 02.12.2011 18:22.

Zagros
Gelöschter Benutzer

Re: Demokratische Autonomie - politisches Konzept aufseiten der Kurden

von Zagros am 02.12.2011 22:43

Ich kann nur das Buch: "Jenseits von Staat, Macht und Gewalt" von Serok APo weiter empfehlen. Man muss sich aber mehrere Monate intensiv damit beschäftigen.Das Projekt Demokratische Autonomie wird alle teile Kurdistans zusammenbringen.

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