Geballter Widerstand

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firat47
Gelöschter Benutzer

Geballter Widerstand

von firat47 am 09.11.2011 19:56

Eren Keskin, Rechtsanwältin und Menschenrechtlerin

Es gibt so viele Probleme in unserer Region (gemeint ist Türkei-Kurdistan), dass eine stetige Debatte von Nöten ist.
Aber was wollt ihr mit wem debattieren?
Die Mehrheit ist von Unwahrheiten geblendet!
[Wahrheit ist], dass das sogenannte „Kurdische Problem" in seiner Gesamtheit ein „Türkisches Problem" ist.
Auch, dass die scheinbare Definition mitsamt der begriffliche Zuschreibung „Armenisches Problem", im eigentlichen Sinne ein VÖLKERMORD ist!
Dazu gehört außerdem, dass in dieser Region hinter jeder Form der Unterdrückung, hinter jeder Auslöschungspolitik, die als „Regimewächter" betrachteten Militaristen stehen.
Zudem, dass die in der Türkei allgegenwärtigen „Großen Befürchtung" einer anti-laizistischen Entwicklung sich insgesamt unter Kontrolle der Armee befindet.
Die meisten Imam-Hatip Schulen* von Seiten der Putschisten des Staatsstreichs vom 12. September eröffnet wurden.
Die Aufnahme des Religionsunterrichts als Pflichtfach in den Lehrplan ebenfalls durch die 12. September-Putschisten erfolgt ist.
Sie kennen nicht ein Körnchen Wahrheit ...
Die größte Unwahrheit unter diesen ist vielleicht jene über die PKK.
Die PKK ist nicht plötzlich vom Himmel gefallen. Die PKK ist eine an die Nation gerichtete und gegen die Auslöschungspolitik gewandte Reaktion.
„Zwischen der Gewalt und uns liegt ein schmaler Grat". Jeder kann plötzlich sowohl zum Täter oder aber zum Opfer von Gewalt werden.
Bedeutung trägt nur, die gewaltproduzierenden Mechanismen und deren Anwendung aufzuheben. Sämtliche Bestrebungen müssen darauf ausgerichtet werden.
In den vergangen Tagen habe ich bereits in einer meiner anderen Schriften darauf hingewiesen.
Wir haben bei Van/Catak ein Massengrab aufgesucht. Uns haben eine Gruppe deutscher Politiker, Menschenrechtsverteidiger, Mitglieder des IHD und Friedensmütter begleitet. Auch die Gebeine der Kinder der uns begleitenden Friedensmütter sind verschollen. Sie sind seit Jahren auf der Suche nach ihren Kindern, deren Gebeinen.
Im Massengrab auf der Bergspitze haben wir mit Steinen bedeckte menschliche Knochen und Schädel vorgefunden. Es war ein unfassbarer Anblick.
Auf der einen Seite lagen die von den Staatskräften benutzen Geschossreste, auf der anderen Seite das Kochgeschirr der Guerilla, Kleidungsstücke und die Überreste der zerfetzten Körper, nämlich Knochen und Schädel.
Dass die Mütter die Knochen in die Hände nahmen und weinend streichelten, berührte alle Beteiligten über alle Maße. Alle mussten weinen, ob Mann oder Frau. In diesem Moment ist uns allen der Gedanke gekommen, uns umzuwenden und in Richtung der Berge zu gehen.
Das hat sich tatsächlich so ereignet. Alles zurücklassen und in die Berge ziehen!
Nun werden einige Leser meinen Bericht kritisieren, in der Art „Wie können einem Menschenrechtsverteidiger solche Dinge in den Sinn kommen?"
Aber der Gedanke tritt nun mal auf!
Im Moment des Schmerzes, in einer Region, in der Rachekriege geführt werden, in der sämtliche Leiden der Mütter eines Volkes nichts zählen, entstehen solche Gedanken.
Später sind wir alle selbstverständlich in die Realität zurückgekehrt.
Wir sind zurückgekehrt aber einem 15 bis 16ährigen Jugendlichen kann dies nicht begreiflich gemacht werden.
Heute gibt es einzig einen Weg der Lösung, in der die PKK nicht ignoriert wird.
Der Kampf wird gegen die PKK geführt. Sie ist eine Beteiligte des Krieges.
Wir erleben momentan, dass sich die AKP, in Allianz mit der Armee, für eine „allumfassende Auslöschung" entschieden hat.
Aber diese Entscheidungen werden keine Lösung sein.
Unsere Liebe und Verbundenheit zu Ragip, Prof. Ersanli, Hatip Dicle, Muharrem Erbey [politische Gefangene der sogenannten KCK-Operationen] erlegt nun uns die Aufgabe eines „allumfassenden, geballten Widerstands" auf.
Wir haben einen größeren Glauben und größeren Mut!

 

Quelle: Özgür Gündem, 09.11.2011, ISKU

ISKU | Informationsstelle Kurdistan

Antworten Zuletzt bearbeitet am 09.11.2011 19:58.

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