Modernisierung und Umweltprobleme im Nordirak

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GulaKurdistane
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Modernisierung und Umweltprobleme im Nordirak

von GulaKurdistane am 04.12.2010 17:37

Nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein erlebte der kurdische Nordirak eine schnelle Modernisierung: Es wurde viel gebaut und viel konsumiert. Eine umweltpolitische Strategie, die diese Entwicklung begleitete, gab es nicht. Nun versinken die größeren Städte im Müll und Smog, funktionierende Kanalisationssysteme gibt es kaum.

Der Blick von Anap, einem oberhalb der kurdischen Stadt Halabja liegenden Dorf, auf die darunter liegende Ebene könnte gerade bei Sonnenuntergang so schön sein. Aber was man sieht, ist vor allem eine dicke, weiße Rauchwolke, die sich bis an den Horizont zieht. »Um diese Zeit verbrennen sie den Müll«, sagt Mam Amin und lacht: »Früher war es Saddam Hussein mit seinem Giftgas, der uns umgebracht hat, heute erledigen wir das selbst.« Nicht nur der Gestank ist schier unerträglich, der beißende Rauch reizt die Schleim­häute in Augen und Atemwegen. Auch in anderen Städten des kurdischen Nordirak entledigt man sich seines Mülls auf diese archaische Art und Weise. Ob Plastikflasche, Farbeimer, Autoreifen, Essensreste oder Spraydose: Wenige hundert Meter von den jeweiligen Stadtgrenzen entfernt geht jeden Tag alles in Flammen auf. Welche Gifte dadurch freigesetzt werden und in Böden und Trinkwasser geraten, kann man nur vermuten, Untersuchungen dazu gibt es keine.

Auch wenn täglich unzählige Menschen unter den Rauchschwaden leiden, wird diese Praxis kaum kritisiert. Man nimmt sie hin, wie so viele andere Nachteile der Modernisierung eben auch. Nur die wenigsten Bewohner der Region sind sich überhaupt der gesundheitlichen Folgen bewusst.

In Suleymaniah, einer Stadt mit inzwischen fast einer Million Einwohnern, hat man sich inzwischen durchgerungen, den Abfall in einer tiefen Grube zu versenken. Angezündet wird er nur noch im Einzelfall. Nun soll eine italienische Firma Abhilfe schaffen und eine erste Müllverbrennungsanlage bauen. Wann und ob diese je fertig gestellt wird, ist aber unklar. Derweil fallen täglich Tonnen von neuem Müll an, irgendeine Art von Recycling gibt es bislang nicht, weder für Papier noch Glas oder Plastik.

Bis vor wenigen Jahren war das Problem zu bewältigen, schließlich lebte ein Großteil der Bevölkerung auf dem Land, wo hauptsächlich organischer Abfall anfiel. Armut und Not schränkten den Konsum ein, und vieles, was heute auf die Müllhalden wandert, wurde weiterverwertet, etwa Getränkedosen, aus denen man Behältnisse für Speiseöl und andere Flüssigkeiten herstellte. Heute wird im Nordirak kaum noch etwas produziert. Dank der Petrodollars importiert man inzwischen sogar Früchte und Gemüse aus dem Ausland, während ein Großteil der eigenen Landwirtschaft brachliegt. Einst galt der kurdische Norden als Kornkammer des Irak. Supermärkte in Suleymaniah verkaufen dieser Tage in Plastik eingeschweißte Äpfel aus Chile. Ein Gemüseverkäufer erzählt, dass er einen Großteil der Tomaten und Gurken aus Syrien und dem Iran importiere.


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