Mustafa Karasu: Die Demokratie wird siegen

[ Nach unten  |  Zum letzten Beitrag  |  Thema abonnieren  |  Neueste Beiträge zuerst ]


Zagros
Gelöschter Benutzer

Mustafa Karasu: Die Demokratie wird siegen

von Zagros am 12.11.2011 17:35

Die Verhaftungen von Büşra Ersanlı und Ragıp Zarakolu im Zuge der sogenannten KCK-Operationen zeigt deren genoziden politischen Charakter deutlich auf.

Es ist deutlich geworden, dass auch Individuen als KCK-Mitglieder verhaftet werden, die sich nicht gegen die kurdische Freiheitsbewegung stellen. Es gibt auch starke Bemühungen, die BDP zu einem Teil ihres Spezialkrieges zu machen. Ihr wird täglich vorgeschrieben, dass sie sich offen gegen die PKK zu richten haben. Eben, weil ihnen das nicht gelungen ist, haben sie damit begonnen BürgermeisterInnen, Kreisvorstände, Vorstandsmitglieder und Stadträtemitglieder der BDP zu verhaften. Büşra Ersanlı und Ragıp Zarakolu haben nach dem Verständnis der AKP den Terror unterstützt, weil sie sich nicht gegen die PKK gestellt haben und diese, im Vergleich zum Staat, differenzierter bewerten. Dies bedeutet, dass es in der Türkei nun als Straftat gilt, wenn man sich nicht aktiv gegen die PKK richtet.
Die Ursache für die Erfindung solcher Straftat liegt im allumfassenden Kriegskonzept der AKP, die die Vernichtung als Ziel hat. Sie wollen dem Terror die Luft zum atmen nehmen, so dass, nach der Logik des Vernichtungskriegs, die betroffene Bewegung eingekesselt wird. Wir befinden uns erneut in den 90ern, da eben zu dieser Zeit dieses umgesetzt wurde. Die Kurden sind in den 90ern zum Volksaufstand übergegangen und haben eine breite demokratische Organisierung aufgebaut. Diese Organisierung reicht von den Medien bis hin zur Kultur. Da jedoch der Staat keine Politik und Konzepte zur Lösung der kurdischen Frage entwickelt hatte, hat man sich zur Unterdrückung des gesellschaftlichen Erwachens entschlossen. Das Ziel ihrer Angriffe ist ganauso klar wie zwei plus zwei vier ist. Die Methoden unterscheiden sich zu den 90er Jahren, jedoch befinden wir uns ganz klar erneut in dieser Zeit. Auch im Angriff in den 90er Jahren war das eigentliche Ziel die Unterdrückung bzw. Zurückdrängung der demokratisch-politischen Ebene. Hierbei hat man alle Führungspersönlichkeiten entweder ermordet oder zur Flucht in die Diaspora gezwungen. Damals wie auch heute wollte man durch das Töten den Aufstand unterdrücken. Man kann dies in den gelenkten Medien des Systems täglich offen auf den Seiten ihrer sogenannten Terrorexperten nachlesen. Auch damals war man bemüht, die demokratische Politik gegen die PKK aufzubringen und beschuldigte gar die kurdischen Politiker unter dem Einfluss der PKK zustehen. Auch heute wird dieselbe Politik und Repression umgesetzt.
Es hätte Sinn gemacht, wenn sie die kurdische Frage gelöst hätten, die PKK aber den Kampf fortgeführt hätte und die demokratische Politik dies nicht angeprangert hätte. Dann hätte es Sinn gemacht, die demokratische Politik und Öffentlichkeit dazu aufzufordern gegen die PKK Stellung zu beziehen. Der spanische Staat hatte den Basken eine weitreichende Autonomie zugestanden und das Problem aus der staatlichen Ebene heraus gelöst. Die ETA hat jedoch den bewaffneten Kampf fortgeführt, da sie auf der Unabhängigkeit bestanden hat. Auch damals gab es Kreise, die die ETA offen kritisiert haben. In der Türkei gibt es jedoch keine vergleichbare Situation. Sie haben sogar nach dem Erdbeben in Wan durch die Polemik, dass zwischen den Völkern gar keine Unterschiede bestehen, ihre Verleugnungspolitik fortgeführt. Die Hilfen wurden sogar dafür eingesetzt, um ihre Verleugnungstheorien zu untermauern. Statt aufgrund des Erdbebens in Wan zu verkünden, dass man bemüht sein wird die Bedürfnisse der kurdischen Brüdern und Schwestern zu decken und die Frage untereinander zu lösen, haben sie sich den Kopf darüber zerbrochen, wie man die Kurden von ihren politischen Forderungen abbringen kann. Sie waren bestrebt, die Emotionen, die wegen des Bebens hervorgerufenen worden sind, für ihre chauvinistischen Ziele und ihren psychologischen Krieg einzunehmen. So kam es dann auch, dass ein weiteres Mal die Abgründe der antikurdischen Politik offen sichtbar wurden. Nirgends auf der Welt kann eine Regierung so viel Repression gegen die Opposition einsetzen und dabei noch behaupten, dass man eine demokratische Verfassung machen will. Es ist ein schlechter Witz die BDP nach so vielen Verhaftungen ins Parlament zu rufen und zu behaupten, man wolle gemeinsam eine neue demokratische Verfassung erarbeiten. Hiermit hat man sich nicht nur über die BDP sondern auch über das kurdische Volk lustig gemacht. Unter den Verhafteten ist sogar die von der BDP für die neue Verfassung beauftragte Professorin. Die Abgeordneten wären als erste verhaftet worden, wenn sie nicht Immunität genießen würden und eine mögliche Reaktion von Innen und Außen zu befürchten wäre. Die Abgeordneten selbst wissen am besten, dass man sich ihnen nicht differenziert nähert, nur weil sie noch nicht verhaftet worden sind.
Die AKP-Regierung behauptet, sie würde sich nie von der Demokratie abwenden wollen und erledigen auf der anderen Seite die demokratische Politik. In einer rechtsfreien Welt passiert dies täglich und trotzdem beteuern sie auf dem Weg der Rechtsstaatlichkeit zu sein. Die AKP-Praxis beweist ein weiteres Mal klar und deutlich, dass der Faschismus nicht als Demagogie und Täuschung ist. Die Beteuerungen, dass man nicht in die 90er zurück will und sie sich daher nicht von der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verabschieden möchten, sind nichts als Camouflage eben für die Situation, dass wir uns erneut in den 90ern befinden. Die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind in diesem Kontext nichts als leblose Begriffe. Sie sind darum bemüht mit diesen Aussagen demokratisch, liberale Kreise und kurdische Kollaborateure an sich zu binden. Da sie auf die Hoffnungen der Gesellschaft nach Demokratie und Freiheit auf dem Weg in die Regierung gesetzt haben, scheinen sie sich verpflichtet zu fühlen, diese Aussagen zu tätigen.
Die AKP ist überzeugt, dass sie es, im Gegensatz zu ihren Vorgängern, schaffen wird, das Kriegsabenteuer wie in den 90er Jahren zu bestehen. Ihnen bleibt auch nichts mehr übrig, wenn sie zu behaupten anfangen, dass sie dem Terror den Garaus wollen. Sie wollen aber nicht akzeptieren, dass dieser Widerstand aufgrund der Nichtlösung der kurdischen Frage besteht. Sie haben bereits eine neue Kriegslüge erfunden und streuen diese in die Welt. Demnach kämpft die PKK nicht für die Interessen der Kurden. Ihre Kadar leben und kämpfen dieser Ansicht nach seit 40 Jahren unter schwersten Bedingungen für ihre egoistischen Ziele. Dies würde bedeuten, dass sie eben für die eigenen egoistischen Ziele sterben. Diejenigen, die diese Thesen in die Welt setzen, sind ausgerechnet jene, die einen hohen Wert auf Komfort legen.
Die PKK würde dieser Logik nach auch die demokratische Autonomie für sich einfordern. Es muss natürlich darauf hingewiesen werden, dass man eine Autonomie nur für die Völker einfordern kann. Natürlich wird es wie überall auf der Welt auch hier politische Kräfte geben, die die Forderungen der Völker auf die Agenda bringen. Weder die spanische noch andere Verfassungen haben irgendeiner politischen Struktur oder Partei eine demokratische Autonomie eingeräumt und könnten dies auch nicht. Wenn nun aber behauptet wird, dass die PKK oder KCK solche Forderungen gestellt habe, dann bedeutet dies, dass man sich über den Intellekt der Menschen lustig macht.
Die PKK fordert die Anerkennung der demokratischen Autonomie an und betrachtet dies als ein grundlegendes Recht und passendes Verwaltungsmodell. Hierbei wird zweifelsfrei die Meinungs- und Organisationsfreiheit eingefordert. Jede politische Struktur, Idee und Organisation hat das Recht, sich freiheitlich zu organisieren und politische, kulturelle als auch soziale Organisationsstrukturen zu bilden. Dabei muss es diesen ohne jeglichen Zwang und Repression möglich sein, politische, soziale und kulturelle Modelle zu entwickeln und vorzuschlagen. Politische Parteien und Idee existieren dafür. Niemand kann behaupten, dass Fukushima das Ende eines ideologischen, politischen, ökonomischen als auch kulturellen Systems darstellt. Genau so wenig kann behauptet werden, dass das politische System eines Landes und eben auch der Türkei unveränderbar ist.
Die AKP wendet so viel Repression an, weil sie die demokratische Autonomie, das Recht auf muttersprachlichen Unterricht und die Multilingualität nicht anerkennen will. Sie verschleiert die Wahrheit durch ihre Demagogie. Diese enormen politischen und militärischen Angriffe deuten an, dass der Krieg sich zuspitzen wird. Weil die AKP eben kein Lösungsmodell für die kurdische Frage hat, windet und bettelt sie bei den Vereinigten Staaten von Amerika um neue Massenvernichtungswaffen. Sie gründet, weil sie kein politisches Lösungsmodell anbieten kann, neue Armeen von Spezialkräften und reaktiviert die früheren Sondereinsatzkommandos der Polizei, die zu einer mordenden Bande verkommen waren.
Die Angriffe führen jedoch dazu, dass der Widerstandswille der PKK und des kurdischen Volkes zunehmen werden. Seit Beginn der AKP-Angriffe haben die Anschlüsse junger Kurden zur Guerilla sichtbar zugenommen. Für jeden gefallenen Guerilla kommen zehn neue hinzu. Der Mythos, dass die Tötung zu einer Vermehrung führt, scheint wie für die Realität der kurdischen Bewegung verfasst zu sein. Hierbei kann man alle ehemaligen Generalstabschefs, allen voran Ilker Başbuğ, anführen, die diese Tatsache beschrieben haben. Neue Beitritte zur PKK konnten in der Vergangenheit nicht verhindert werden. Und heute haben die Mitglieder noch ein Mal zugenommen. Es ist erkennbar, dass die AKP-Politik unter den neuen Bedingungen zu einer Zuspitzung des Krieges führen wird. Auch die AKP wird Scheitern und eben dann, wenn sie besiegt ist, wird die Tür zur Demokratisierung unendlich offen sein.

Quelle: Yeni Özgür Politika, 09.11.2011, ISKU

ISKU | Informationsstelle Kurdistan

Antworten

« zurück zum Forum