PKK-Splittergruppen: Kontrollverlust in der Grauzone

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GulaKurdistane
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PKK-Splittergruppen: Kontrollverlust in der Grauzone

von GulaKurdistane am 23.11.2010 21:41

Der PKK entgleitet ein Teil ihrer Anhänger. Bisher war die kurdische Arbeiterpartei eine straff organisierte Vereinigung, in der alles auf Abdullah Öcalan zulief, spalteten sich in jüngster Zeit Mitglieder als autonome Einheiten ab. Dies kann verheerende Folgen haben, wie der Anschlag vom 31. Oktober zeigt. Ein Selbstmordattentäter hatte sich im Herzen Istanbuls, am Taksim-Platz in die Luft gesprengt und dabei 32 Menschen verletzt. Noch kurz zuvor hatte Murat Karayilan, der aktuelle Führer der PKK, erklärt, die Gruppe würde in Zukunft keine zivilen Ziele mehr angreifen. Nach dem Anschlag stritt die PKK auch sofort jegliche Mitwirkung ab.

Untersuchungen zufolge war der Attentäter jedoch als Mitglied der kurdischen Widerstandsorganisation bekannt, die Führung bezeichnete ihn jedoch als »Teil einer nicht kontrollierten Gruppe« innerhalb der PKK. In diesem Fall ist der Stellungnahme der Führungsriege Glauben zu schenken: Erst einen Monat vor dem Anschlag hatte sie den Waffenstillstand bis Juni 2011 verlängert. Grund war eine Anordnung des inhaftierten PKK-Gründers Abdullah Öcalan. Dieser hatte seine Truppe und auch große Teile der Kurdenpartei BDP fest im Griff, ohne sein Einverständnis ging nichts – bislang. Dass sich nun, wo eine Lösung der Kurdenfrage erstmals in den Bereich des Möglichen gerückt ist, Teile der PKK abspalten, ist fatal.

Die Gruppierung, die sich zum Anschlag auf dem Taksim-Platz bekannte, machte in den vergangenen Jahren mehrfach durch blutige Anschläge auf sich aufmerksam, ihre Organisationsstruktur und ihre Beziehungen zur PKK liegen dagegen im Dunkeln. 2003 wurde die Terrorgruppe TAK, Teyrêbazên Azadîya Kurdistan, zu Deutsch »Freiheitsfalken Kurdistans«, durch die PKK gegründet, um Bombenattentate in größeren Städten oder touristischen Zentren auszuführen.

Die einstigen Waffenbrüder driften auseinander

2004 trat der Taksim-Bomber Vedat Acar der PKK bei und wurde in ihren Camps ausgebildet. Das legen Fotos in den türkischen Medien nahe. Nach dem Attentat bekräftigte die TAK ihre Unabhängigkeit von der PKK und erklärten, Acar wäre ihr »Gruppenführer« gewesen. Die PKK fordert TAK auf, die Attentate einzustellen und dem Friedensprozess beizutreten – doch eben diesen Kurs machen die TAK-Mitglieder ihren ehemaligen PKK-Kampfgefährten zum Vorwurf und begründen so ihren andauernden gewaltsamen Widerstand.

In den letzen Monaten kamen endlich wieder Gespräche zwischen den maßgeblichen Akteuren der Kurdenfrage in Gang. Die treibende Kraft dahinter ist die Regierungspartei AKP. Sie steht im Austausch mit der Kurdenpartei BDP, der grauen Eminenz Öcalan, den nordirakischen Kurden, den betroffenen Nachbarstaaten Syrien und Iran, aber auch den USA. Der erste Erfolg dieser Verhandlungen ist die Ausweitung der Waffenruhe bis Sommer 2011. Dies könnte die Basis für eine langfristige Neuordnung der Kurdenfrage sein, die bislang noch aussteht.

Dabei gibt es zwei hauptsächliche Konfliktpunkte: Die Zulassung von Kurdisch als Unterrichtssprache und die Frage nach regionaler Autonomie für die kurdischen Gebiete der Türkei. Im Bezug auf die Sprachenfrage hat Premierminister Erdogan seine Position klar gemacht – Kurdisch wird nicht als zweite offizielle Sprache anerkannt. Zur Frage der Autonomie ist seine Position nicht eindeutig. Er spricht von einer neuen Verfassung, die nach den Parlamentswahlen im Juni 2011 aktuell würde, welche auch diese Frage angemessen berücksichtigen werde. Es wird vermutet, dass die AKP, die in der letzten Wahl bei den Kurden Stimmen verloren hat, diesen Komplex für den Wahlkampf ausschlachten wird.

Die oppositionellen Parteien, die kemalistisch-republikanische CHP und die ultra-nationalistische MHP, haben ihre Positionen nicht maßgeblich geändert. Die MHP lehnt weiterhin jede Verhandlung mit den Kurden ab. Hoffnung erwächst allein aus der CHP, die unter ihrem neuen Vorsitzenden Kilicdaroglu ihre Positionen maßgeblich nach links verschoben hat.



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