Syriens Freund in der Türkei
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firat47
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Syriens Freund in der Türkei
von firat47 am 13.05.2011 18:50Der türkische Premier Erdogan unterhält gute Beziehungen ins Nachbarland - und wird sogar von der dortigen Opposition respektiert. von Markus Bernath, Istanbul
Es gibt wenige Menschen, die in diesen Tagen noch so freundliche Worte für den syrischen Staatschef finden wie Recep Tayyip Erdogan. "Er ist mein guter Freund", sagte der türkische Ministerpräsident in einem Fernsehinterview über Baschar al-Assad, der seine Panzer mittlerweile sogar auf Wohngebiete losschickt. "Bei allen meinen Besuchen in Syrien sehe ich die Liebe des Volkes für Baschar al-Assad."
Am selben Tag hielten Demonstranten in der Hafenstadt Banias, einer Hochburg der syrischen Proteste, Poster mit Portraits des türkischen Regierungschefs hoch und riefen Slogans gegen Assad und dessen Cousin, den allmächtigen Geschäftsmann Rami Makluf.
Die Frage ist, wer den wahren Erdogan auf seiner Seite hat. Sicher ist nur, dass Erdogan wohl einer der letzten ausländischen Politiker ist, die im syrischen Chaos überhaupt noch Gehör finden - und auf allen Seiten Respekt genießen.
Mehr als 1000 Zivilisten seien bei den Unruhen in Syrien bisher umgekommen, erklärte der türkische Regierungschef in dem am Mittwoch gesendeten Interview des US-Senders PBS und widersprach damit den um ein Vielfaches geringeren Angaben aus Damaskus. Er wolle keine Wiederholung von Hama sehen, sagte Erdogan, wo Assads Vater Hafis 1982 einen Aufstand der Muslimbrüder niederschlagen ließ und mindestens 20.000 Menschen umgekommen waren.
Rund um Hama aber nahmen am Donnerstag Soldaten mit Panzern Aufstellung, auf einem Universitätsgelände in Aleppo trieb die Armee zuvor an die 2000 Demonstranten auseinander. Am Vortag waren nach Angaben von Menschenrechtsgruppen mehrere Menschen bei Armeeangriffen auf Wohnviertel getötet worden. Assads Regime rüstet sich derweil für eine weitere landesweite Protestwelle an diesem Freitag.
Syrien ist zur Top-Priorität der türkischen Außenpolitik geworden. Knapp 900 Kilometer gemeinsame Grenze, die Aussicht auf eine Flüchtlingswelle und eine Regimekrise mit ungewissen Ausgang stellen Ankara vor ein großes Dilemma: Soll man Assad stützen oder fallen lassen, die Kompromittierung durch einen starrsinnigen Autokraten riskieren oder aber ein langes blutiges Chaos im Nachbarland?
Darüber hinaus herrscht die Befürchtung, dass im Zuge der Unruhen im Nahen Osten freie Bahn für den Iran geschaffen wird, den stillen Rivalen der Türkei in der Region. Aus der "Politik der null Probleme mit den Nachbarn", die Erdogan zu seinem Leitmotiv gemacht hatte, sei eine "Politik der vielen Probleme" geworden, heißt es in diesen Tagen oft in Ankara und Istanbul.
Ende April hatte Erdogan eine Delegation von "Beratern" zu Assad geschickt. Hakan Fidan, der Chef des Geheimdienstes MIT, und Kemal Madenoglu, der Leiter der staatlichen Planungsbehörde, führten sie an. Man habe Assad Reformen im "öffentlichen Bereich" erklären wollen, heißt es im türkischen Außenministerium. Am Mittwoch verkündete die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana, es werde eine Kommission gebildet, die ein neues Wahlgesetz erarbeiten soll. Es könnte ein kleiner Erfolg der türkischen Vermittler sein, die frustriert über Assads Unbeweglichkeit in den vergangenen Wochen bereits mit dem "Plan B" begonnen haben. Dahinter verbergen sich Überlegungen, wie mit einem neuen Syrien ohne Assad umgegangen werden soll.
"Wir würden unsere Beziehungen zu Syrien gern behalten, zumal wir lange gar keine hatten", erklärte ein hochrangiger türkischer Diplomat kürzlich vor ausländischen Journalisten. Syrien war während des Kalten Kriegs im Lager der Sowjetunion und gewährte der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) Unterschlupf. Im Jahr 1998 wäre es deswegen fast zu einem Krieg gekommen. Damaskus warf die PKK dann aus dem Land.
Seit dieser Zeit habe Ankara beträchtlichen Einfluss auf Assad, sagt der Politologe und Nahostexperte Recep Boztemur von der Middle East Technical University in Ankara. So sei die Türkei - mit unterschiedlichem Erfolg - als Vermittler zwischen Syrien und den Nachbarn Israel oder Irak aufgetreten. Die jetzige Regimekrise mache es jedoch schwierig für die Türkei, Assad zu unterstützen oder zu beeinflussen.
An persönlichen Beziehungen mangelt es nicht. Noch vor drei Jahren machten Erdogan und Assad in der türkischen Touristenhochburg Bodrum zusammen Sommerurlaub. Gemeinsame Kabinettssitzungen und Wirtschaftsabkommen folgten. Zudem wurde der Visazwang aufgehoben. Das beiderseitige Handelsvolumen blieb mit zuletzt knapp 3 Mrd. Dollar überschaubar, doch für die Syrer ging die Tür zu einer freieren Welt auf. Das haben die Assad-Gegner in den syrischen Städten offensichtlich nicht vergessen.
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