Kurden sind ein stolzes Volk – sie kämpfen für ihre Freiheit
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Kurden sind ein stolzes Volk – sie kämpfen für ihre Freiheit
von Azadiyakurdistan am 15.08.2010 02:38"Riechst du das? Das ist der Geruch des Krieges. Das geht dir an die Gurgel, das ist überall."
Der junge Mann riecht die Luft und möchte, dass wir es auch tun. Krieg hat einen Geruch. Bitter und intensiv. Der Geruch, hinterlassen von einem der F16 Jagdbomber, die in dichter Folge über uns hinweg fliegen. Oder der Geruch eines beschleunigenden Autos; der Geruch des Staubes in dieser gefolterten Stadt. „Amed (Diyarbakır)“, spricht der junge Mann mit leiser Stimme.
Er wirkt gefasst.
Man wundert sich, wie er mit dem Gedanken fertig wird, dass täglich aus Ankara die Nachricht kommen könnte, dass die Revision abgewiesen wurde und er sich bald im Gefängnis wieder finden könnte, verurteilt zu 12 Jahren wegen Propaganda für die PKK. "Nein ich ging nicht auf die Demonstration vor ein paar Tagen, sagte er, weil mir seit 5 Jahren verboten ist auf Demos zu gehen."
Krieg hat Klänge, ähnlich diesem Geruch. Es ist nicht nur das Geräusch der Kampfflugzeuge mit dem Kurs Richtung Südkurdistan (Autonome Region Kurdistan in Irak). Und es ist eben nicht nur der Hubschrauber der Armee oder Polizei dicht über unseren Häusern. Auch der Lärm der Panzer, und so laufen viele Tage ab in Diyarbakır. Die Geräusche des Krieges sind die gebrochenen Stimmen und Worte derer, die seine Schrecken berichten.
Özgür DaÄhan (Sipan Amed) war 27 Jahre alt. Er war ein Guerilla für die PKK (Volksbefreiungsfront Kurdistans). Er verlor sein Leben bei einem der letzten Zusammenstöße. Sein Foto hängt im Wohnzimmer hoch über einem Schrank. Gülistan und Mehmet DaÄhan sitzen davor auf dem Sofa mit ihren zwei Töchtern
„Özgür ist unser erster Sohn“. berichtet Gülistan und blickt auf das Foto. Ihre Augen füllen sich mit Tränen. Sie ist eine Mutter. Es ist schlimm genug für eine Mutter ihr Kind zu überleben. Aber Gülistan Daghan wurde auch verweigert, ihren Sohn ein letztes mal zu sehen. „Sie ließen mich seine Leiche nicht sehen", sagte sie, "denn sie meinten, ich könnte seinen Anblick nicht verkraften - dessentwegen, was sie mit ihm gemacht hatten." Sie seufzte und fährt fort: "Aber ich sah die Fotos, sah sie in den Zeitungen". Zuerst nahm sie nichts mehr zu sich, nachdem sie die Fotos sah. "Mein Leben ist von mir gegangen an diesem Tag. Nun esse ich wieder ein wenig, ich habe ja noch die anderen Kinder, und für sie muss ich leben."
Die Bilder erzählen eine schreckliche Geschichte: die der äußersten Misshandlungen und der tiefsten, die Seele zermürbenden Demütigung. Die Leiche von Özgür Daghan wurde noch schrecklich verstümmelt, als der junge Mann tot war. "Ich weiß nicht, wie ein Mensch einem anderen Menschen so etwas antun kann, sagt Gülistan Daghan. Sie schaut ihrem Mann an und sagt, er solle sich äußern. Was er dann mit ruhiger Stimme erzählt, macht deshalb umso mehr betroffen; eine Geschichte voller Brutalität und unmenschlicher Gewaltätigkeit. Es beginnt wie eine Geschichte so manches Kindes, das in Kurdistan aufwuchs und das nicht sitzen bleiben kann, um die Brutalität und Gewalttätigkeit zu betrachten, die seinem Volk angetan wurde.
"Özgür war es nicht egal was er um sich herum wahrnehmen musste", sagte Mehmet Daghan. "Als er noch zur Grundschule ging, verlor einer unserer Verwandten sein Leben als Guerilla-Kommandant. Für Özgür erhöhte das Wissen um einen Märtyrers in der Familie das Interesse an kurdischer Geschichte und der Geschichte der kurdischen Freiheitsbewegung.
Er studierte Elektrotechnik aber seine wahren Interessen galten der Geschichte. Er las alle verfügbaren Bücher über die kurdische Geschichte, von der Urzeit bis zur Zeit des Sheikh Said Aufstandes [1924/25]. Und in der letzten Zeit recherchierte er umfassend zu diesem Thema. Dann kam er nach Hause mit anderen Freunden. Sie gingen in sein Zimmer, schlossen die Tür und ich wusste, dass sie über die PKK reden und den Befreiungskampf für Kurdistan".
Özgür trat der PKK bei als er 20 Jahre alt war. Er war ein einfühlsamer junger Mann der nicht ertragen und zuschauen konnte, wie sein Volk, seine Freunde und Verwandte misshandelt wurden durch türkische Behörden.
"Wir sahen ihn wieder, nachdem er der PKK beigetreten ist", sagte Mehmet Daghan. "Wir gingen in die Berge, um ihn zu sehen. Wir blieben 11 Tage dort. Er kam am letzten Tag unseres Aufenthaltes. Er meinte, er würde nicht lange bei uns bleiben, weil er noch was zu erledigen hätte".
Mehmet und seine Frau Gulistan schauten sich ständig an. Der Schmerz ist unerträglich. Und er durchzieht den ganzen Raum. "Es war das letzte mal, dass wir ihn lebend sahen", sagte Gulistan. Dann hatten wir eine Zeit lang keine einzige Nachricht", so Mehmet.
"Aber indirekte Neuigkeiten erreichten uns, dass es ihm gut geht. Wir wussten, dass er nicht in der Türkei war, eher im Iran und im Irak. Wir wussten, dass an irgendeinem Tag die schlechte Nachricht kommen könnte. Immer, wenn wir von Zusammenstößen hörten, pochte unser Herz. Das ist ein Leben wie mit ständiger schwerer Belastung auf deinem Herzen".
Und dann kam der Tag. Mehmet blickte ängstlich zu seiner Frau. Das ist der härteste Teil der Geschichte. Aber er erzählte mit ruhiger Stimme, klar, jede Sekunde dieser Tage wird neu durchlebt, wenn der die Geschichte erzählt, mit all dem Schmerz.
Die Augen des Vaters sind jetzt trocken, aber sein Herz blutet noch immer.
„Als mein Sohn sein Leben verloren hatte, ging ich nach Trabzon um ihn zu identifizieren. Sie kennen sicher Trabzon am Schwarzen Meer; es ist ein Faschistenort. Sie mögen keine Kurden. Sie zeigten mir ungefähr 10 Bilder. Das erste Foto war ein winziger Junge. Ich sagte nein, das ist er nicht.
Dann zeigte man mir ein anderes. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen. Dann sah ich ihn. Da war Blut in seinem Gesicht auf den Bildern, seine Haare waren ordentlich gekämt gewesen und er hatte ein undeutliches Lächeln. Ich sagte, das ist mein Sohn.
Dann ging ich zum Leichenschauhaus der Abteilung Forensische Medizin (ATK), um die Leiche zu identifizieren. Sie brachten den Körper meines Sohnes. Sein Schädel war eingeschlagen und angebrannt. Sein ganzer Körper war schwarz.Ich sagte, ich bin nicht imstande ihn zu identifizieren. Ich sprach mit dem Staatsanwalt, welcher an der Autopsie teilgenommen hatte. Er war gleichaltrig mit meinem Sohn und ganz nett. Er hatte Respekt. Er zeigte mir Fotos. Auf den Bildern war kein Makel am Körper zu erkennen. Er war tot, aber sein Körper war unversehrt. Ich weiß nicht ob sie später seinen Körper mittels Dieselöl verkohlt oder mit Säure oder ätzenden Chemikalien verunstaltet hatten. Soetwas würden Sie nicht einmal mit einem Tier tun. Aber als ich den Staatsanwalt fragte, wer das getan hatte, zuckt er nur mit den Schultern, als ob er sagen wollte: "ich darf darüber nicht sprechen".
Mehmet kann dieses Schweigen nicht akzeptieren. Er und seine Frau möchten Antworten. Sie wollen wissen, warum ihr Sohn so schrecklich gefoltert und verstümmelt wurde.
Sie fragten: "Wie ist es für Europa möglich still zu bleiben vor dieser ganzen Brutalität?
"Journalisten", sagt Mehmet, "sollten aufbegehren, ihren Job tun und darstellen, was in diesem Land abgeht. Denn täglich setzt die türkische Armee auf diesen Bergen Chemikalien ein gegen unsere Söhne und Töchter. Und das ist nicht hinnehmbar. Es ist schier unerträglich, dass die internationale Gemeinschaft nichts zu sagen hat dazu."
Stille.
Gulistan hält ihre Tränen zurück. Mehmet schaut hoch. "Mein Sohn ging nicht zum Spaß raus auf die Berge oder weil er einer Gehirnwäsche unterzogen wurde oder ein Narr war. Unsere Leute sind stolze Leute. Unsere Kurden leiden seit Jahrhunderten aber sie gingen immer aufrecht. Sie kämpften für Ihre Würde und Freiheit.
Mein Vater und dessen Vater und wiederum dessen Vater kämpften für die Freiheit unseres Volkes. Und heute dauert dieser Kampf immer noch an.
Stille wieder. Gülistan blickt zu Mehmet und zu ihren Töchtern: "Mein Leben endete, als mein Sohn starb. Aber ich mache weiter. Ich muss weiter machen. Eines Tages sehe ich Özgür wieder."
All den Özgürs dieses Krieges leihen Mehmet und Gülistan ihre Stimme.
Dieser Artikel von Nucan Cudi erschien am 4. August 2010 in der englischen Ausgabe von ANF-Firat News Agency. Für Kurdmania aus dem Englischen übersetzt von Almanci.
Silav û Rêz
Azad
Tahli
Gelöschter Benutzer
Re: Kurden sind ein stolzes Volk – sie kämpfen für ihre Freiheit
von Tahli am 15.08.2010 02:54Der Bericht macht mich tief betroffen und wütend.
Die Kurden sind nicht nur ein stolzes Volk sondern auch ein sehr mutiges.