Noch kein Anlass zur Euphorie
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Noch kein Anlass zur Euphorie
von Azadiyakurdistan am 28.09.2010 01:30Die türkische Regierung setzt nach neun Jahrzehnten feindlicher Auseinandersetzung und Diskriminierung endlich auf Gespräche mit der PKK. Nicht nur im eigenen Land, auch im Nord-Irak werden die Führer eingebunden. Selbst der inhaftierte Rebellen-Chef Öcalan soll zur dauerhaften Waffenruhe verhelfen, um das "Kurdenproblem" zu lösen. Das klingt zu schön, um wahr zu sein.
Die Frage ist nur: Können die Kurden Ministerpräsident Erdogan trauen, der ihnen noch im Juni zynisch prophezeite, sie würden "im eigenen Blut ersaufen"? Die Kurden werden es wohl oder übel müssen. Eine größere Chance hat es bisher nicht gegeben. Nach dem Verfassungsreferendum sieht sich der Premier gestärkt, den Demokratisierungsprozess voranzutreiben, die Macht der Armee zu beschränken und die Rechte der Bürger zu stärken. Dies gibt Erdogan den Spielraum, im Umgang mit Armeniern und Kurden Entspannung zu signalisieren. Natürlich hat der Taktiker aus Ankara dabei auch den künftigen EU-Beitritt im Hinterkopf.
Für Euphorie besteht jedoch noch kein Anlass. Die Forderung der Kurden, die Zehn-Prozent-Hürde bei Wahlen aufzuheben, ihnen mehr Autonomie und Unterricht in ihrer Sprache zu garantieren, wird Erdogan kaum erfüllen. Immerhin gibt der Dialog Hoffnung - solange kein extremistischer Anschlag den Annäherungsprozess zerfetzt.
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Azad
Neue Bemühungen um Ende des Kurdenkonflikts in der Türkei
von Azadiyakurdistan am 29.09.2010 01:57Über Jahrzehnte weigerte sich der türkische Staat strikt, mit Vertretern der Kurden über eine friedliche Beilegung des Konflikts zu reden, der Zehntausenden Menschen das Leben kostete und ganze Landstriche verwüstete. Jetzt holt Ankara die Gespräche nach.
Noch nie haben die Hauptbeteiligten im Kurdenkonflikt so intensiv miteinander gesprochen wie derzeit. Sogar der inhaftierte PKK-Chef Abdullah Öcalan, bis vor Kurzem eine Unperson, ist in die Gespräche eingebunden. Kurzfristiges Ziel ist eine dauerhafte Waffenruhe der PKK, mittelfristig soll die Gewalt ganz aufhören.
Am Montag fuhr die prominente Kurdenpolitikerin Aysel Tugluk mit staatlicher Genehmigung auf die Gefängnisinsel Imrali bei Istanbul, um mit Öcalan zu reden. Öcalan selbst verhandelt mit dem türkischen Geheimdienst und bezeichnete diese Gespräche kürzlich als positiv. Die Kurdenpartei BDP traf sich unterdessen mit einem türkischen Vize-Premier und dem Justizminister. Und der türkische Innenminister besuchte die nordirakischen Kurden, um über die Zukunft der PKK-Kämpfer im Irak zu reden. Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere lobte bei seinem Türkei-Besuch vergangene Woche die "vielversprechende innenpolitische Diskussion" in Ankara.
Regierung verspricht mehr Demokratie
Der Sinneswandel ist Ergebnis eines Prozesses, der vor einigen Jahren begann. Ausgangspunkt war die Einsicht der türkischen Militärs, dass die PKK mit Waffengewalt allein nicht zu besiegen sein würde. Daraus ergab sich mehr Spielraum für eine Suche nach einer politischen Lösung. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan sprach als erster Regierungschef seines Landes von einem "Kurdenproblem", räumte Fehler des Staates ein und versprach mehr Demokratie. Seine Regierung überwand auch ihre Abneigung gegen Gespräche mit den nordirakischen Kurden, auf deren Gebiet die PKK ihr Hauptquartier unterhält und die bei einer Entwaffnung der Rebellen eine wichtige Rolle spielen könnten.
Zwar gibt es immer wieder Rückschläge, wie das Verbot der Kurdenpartei DTP durch das Verfassungsgericht im vergangenen Jahr, und die immer wieder aufflammende Gewalt. Doch inzwischen scheint eine kritische Schwelle überschritten: Nur Rechtsnationalisten favorisieren noch Feuer und Schwert als alleinige Mittel gegen die PKK. Vor wenigen Wochen konnte Erdogan sogar das politische Risiko eingehen, die vertraulichen Gespräche zwischen den Behörden und Öcalan publik zu machen. Seinen Sieg beim Verfassungsreferendum vor zwei Wochen sieht Erdogan auch als Rückendeckung für seine Kurdenpolitik.
Zuversicht noch vorsichtig
Niemand in der türkischen Hauptstadt erwartet, dass über Nacht der Frieden ausbricht. Eine vorsichtige Zuversicht ist dennoch spürbar. "Wir hoffen, dass eine neue Seite aufgeschlagen wurde", sagte Vize-Premier Cemil Cicek nach dem Treffen mit der Führung der Kurdenpartei BDP. Nahziel ist die Umwandlung der derzeitigen befristeten Waffenruhe der PKK in einen dauerhaften Waffenstillstand. Die unabhängige Tageszeitung "Taraf" meldete, dass sich die Kurdenrebellen ganz aus dem türkischen Staatsgebiet zurückziehen wollten.
Bei aller Gesprächsbereitschaft gehen die Vorstellungen von den politischen Schritten nach einem stabilen Waffenstillstand weit auseinander. Kurdenpolitiker wollen, dass die Türkei die Existenz des kurdischen Volkes im Rahmen einer neuen Verfassung offiziell anerkennt. Die BDP verlangt zudem kurdischen Unterricht in staatlichen Schulen sowie eine Ausweitung der regionalen Autonomie, eine Forderung, die in der zentralistisch aufgebauten türkischen Republik bisher fast als Hochverrat galt. Immerhin konnten die Kurden ihre Forderungen vortragen, ohne gleich ins Gefängnis geworfen zu werden.
Radikale Kräfte könnten Friedensprozess stören
Die neue Gesprächskultur ist deshalb das bisher greifbarste Ergebnis der Bemühungen um ein Ende des Kurdenkonflikts. Alle Beteiligten haben zudem gezeigt, dass sie sich von Rückschlägen nicht entmutigen lassen. Nach dem Tod von neun Menschen bei einem Anschlag auf einen Minibus in Hakkari im Kurdengebiet vor zwei Wochen wurden Gespräche zwar verschoben, aber nicht abgesagt.
Der Anschlag von Hakkari dürfte nicht die letzte Aktion ihrer Art gewesen sein, warnen Experten. Radikale Kräfte auf beiden Seiten des Konflikts haben kein Interesse an einer Friedenslösung und könnten deshalb versuchen, die Verhandlungen mit Gewaltaktionen zu sprengen, sagte Sedat Laciner, Chef des Politik-Institutes USAK in Ankara, in türkischen Medieninterviews. "Auf beiden Seiten liegen Leute im Hinterhalt." (APA)
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