Chemiewaffen gegen Kurden

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Chemiewaffen gegen Kurden

von Azadiyakurdistan am 05.01.2011 17:51

Jürgen Klute, Fragen: Agit Boztemur, POLITIKA
Im August 2010 hat eine Delegation von ParlamentarierInnen und Menschenrechtlern aus Deutschland Diyarbakir besucht.

Die Delegation hat sich dort über die aktuelle Situation in Kurdistan informiert. Der Menschenrechtsaktivist Martin Dolzer, der an der Delegation teilgenommen hat, hat über die Delegationsreise einen Bericht verfasst. Dieser Bericht geht auch auf den vermutlichen Einsatz von chemischen Waffen gegen die kurdische Guerilla ein.

Politika hat mit dem Europaabgeordneten Jürgen Klute (Die Linke), der ebenfalls an der Delegation teilgenommen hat, darüber gesprochen, was aus dem Bericht geworden ist.

Was ist aus dem Bericht von Martin Dolzer geworden.
Im Oktober war Martin Dolzer in die kurdische Freundschaftsgruppe im Europäischen Parlament (EP) eingeladen. Dort hat er seinen Bericht vorgesellt. In einer kürzeren Form hat Martin Dolzer den Bericht auch noch einmal auf der „7. Internationalen Konferenz zu EU, Türkei und die Kurden" Mitte November 2010 in Brüssel vorgetragen.

Welche Reaktionen hat der Bericht ausgelöst?
Die anwesenden Abgeordneten haben den Bericht sehr aufmerksam verfolgt, insbesondere die Ausführungen zu den vermutlichen Angriffen mit chemischen Waffen. Das Ergebnis des Vortrages von Martin Dolzer war, dass sein schriftlicher Bericht, der zunächst nur in deutscher Sprache vorlag, ins Englische übersetzt und den Mitgliedern der kurdischen Freundschaftsgruppe zur Verfügung gestellt wurde. Mitglieder der kurdischen Freundschaftsgruppe, die zugleich Mitglieder im Menschenrechtsausschuss des EP sind, haben den englischen Text dann auch diesem Ausschuss zur Verfügung gestellt.

Hat es auch Reaktionen seitens der türkischen Regierung gegeben?
Ja, es gab Reaktionen von türkischer Seite. Anfang Dezember ist der türkische Botschafter und ständige Bevollmächtigte der Türkei bei der Europäischen Union, Selim Kuneralp, bei mir vorstellig geworden. Er betonte, dass es für den Vorwurf des Einsatzes chemischer Waffen durch das türkische Militär keine Beweise gäbe und wies diesen Vorwurf zurück. Offenbar nimmt es die türkische Regierung sehr ernst, dass sich Mitglieder des EP mit dem Bericht von Martin Dolzer und mit dem Thema Chemiewaffeneinsatz befassen. Bedeutet das doch immerhin, dass der Verdacht des Chemiewaffeneinsatzes durch die türkische Armee als seriös angesehen wird.

Wenn Kurden ihre Interessen und Forderungen als auch die Verbrechen, die sie erleben, auf die Tagesordnung von verschiedenen Menschenrechts-Plattformen tragen, kommt oft die türkische Botschaft ins Spiel. Wie beurteilst du dies? Was sind die Gründe?
Die Reaktionen von türkischer Seite sind nachvollziehbar. Die Türkei ist Beitrittskandidatin für die EU. Sie hat damit die sog. Kopenhagener Kriterien für sich als verbindlich anerkannt. Und dazu gehört die bedingungslose Anerkennung der Menschenrechte sowie deren Durchsetzung in der Praxis. Außerdem hat sie als UNO-Mitglied bestehende UNO-Verträge einzuhalten. Der Einsatz von chemischen Waffen ist ein klarer Verstoß gegen Menschenrechte und gegen bestehende UNO-Verträge. Dagegen zu verstoßen, will sich die türkische Regierung natürlich nicht vorwerfen lassen. Das hätte schwerwiegende Folgen für die Beitrittsverhandlungen zur EU. Aber es reicht natürlich nicht aus, die Verletzung von Menschenrechten nur zu bestreiten. Es wäre ein Leichtes für die türkische Regierung, den Vorwurf, das türkische Militär habe chemische Waffen gegen die kurdische Guerilla eingesetzt, zu widerlegen. Sie könnte zum einen die entsprechenden Obduktionsberichte veröffentlichen, die existieren sollten. Zum anderen könnte die türkische Regierung eine internationale Untersuchungskommission einladen. Beides ist bisher nicht passiert.

Gibt es Internationale Abkommen zur Anwendung chemischer Waffen? Wie beurteilst du die Haltung der Westlichen Länder diesbezüglich?
Ja, bereits durch das Genfer Protokoll von 1925 wurde der Einsatz von Chemiewaffen im Krieg verboten. Am 29. April 1997 ist das „Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen" (kurz: Chemiewaffenkonvention – CWK) der Vereinten Nationen (UNO) in Kraft getreten. Der Titel dieser Konvention sagt es schon: Sowohl die Herstellung als auch die Anwendung von chemischen Waffen ist verboten. Die Rechtslage ist also eindeutig. Nur sieht die Praxis oft anders aus, als das geltende Recht. Mit anderen Worten: Die westlichen Länder könnten auf der Grundlage der CWK weit mehr tun und die Türkei dazu drängen, die Vorwürfe aufzuklären und dafür Sorge zu tragen, dass die türkische Armee auf keinen Fall chemische Waffen einsetzt. Andererseits muss man auch fragen, wer die westlichen Länder sind. „Westliche Länder" ist ein abstrakter Begriff. In jedem westlichen Land gibt es unterschiedliche Interessengruppen, auch solche, die (verbotener Weise) an der Produktion von Chemiewaffen viel verdienen. Entscheidend sind handelnde Personen, wie z.B. unsere Delegation. Denn nach den mir vorliegenden Informationen hat es seit der Veröffentlichung des Berichts von Martin Dolzer und der Vorstellung des Berichts im EP keine Angriffe mehr mit chemischen Waffen auf die kurdische Guerilla gegeben.

Yeni Özgür Politika, 04.01.2011
http://www.dielinke-europa.eu/article/7560.chemiewaffen-gegen-kurden.html
ISKU | Informationsstelle Kurdistan

(nadir.org)

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