Interview mit Erdogan

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Kudo21
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Interview mit Erdogan

von Kudo21 am 14.11.2011 18:13




50 Jahre deutsch-türkisches Anwerbe-Abkommen – heute lädt die Kanzlerin den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan zum Festakt nach Berlin. Zuvor traf BILD den Premier zum Interview.

BILD: Herr Ministerpräsident, vor 50 Jahren wurde das Anwerbe-Abkommen unterzeichnet, dann kamen die ersten türkischen Arbeiter nach Deutschland. Wie sehr haben sie Deutschland verändert?

Tayyip Erdogan: „Die Veränderung war gegenseitig. Wir haben jetzt inzwischen schon die dritte Generation. Alle drei Generationen sind auch untereinander verschieden. Unsere Menschen sind offen und loyal. Dies ist in unseren Genen. Natürlich kann ich nicht für alle sprechen. Das türkische Volk sieht das deutsche Volk immer noch mit sehr positiven Gefühlen an. Deswegen sollte Deutschland mit der Türkei viel mehr Solidarität zeigen.

Die erste Generation waren Gäste. Viele sind geblieben und denken jetzt nicht mehr daran zurückzukehren. Es gibt bereits 72 000 türkische Arbeitgeber mit 350 000 Arbeitsplätzen. Der Gastarbeiter von gestern wird langsam auch Arbeitgeber, Akademiker, Künstler ...​

Ihre Verlagsgruppe hat in der Türkei einen türkischen Partner, der auch hier investiert. Es hat sich also viel verändert."´

BILD: Wie würden Sie diese Menschen bezeichnen, als „Türken" oder als „Deutsche"?

Erdogan: „Wenn sie deutsche Staatsbürger sind, sind es natürlich Deutsche – alle anderen sind Türken. Die vielen deutschen Rentner, die bei uns leben, würde ich ja auch nicht als ,Türken' bezeichnen, sondern als ,Deutsche in allen Ehren und allen Rechten'."

BILD: Die Integration der Türken in Deutschland ist bei Weitem noch nicht gelungen. Was ist der größte Fehler der deutschen Politik dabei?

Erdogan: „Die deutsche Politik würdigt die Verflechtung der drei Millionen Türken in Deutschland nicht genug."

BILD: Was müsste konkret geschehen?

Erdogan: „Die deutsche Politik müsste viel mehr für den EU-Beitritt der Türkei tun, weil er die Integration massiv vorantreiben würde. Weil wir Türken so viel Positives für Deutschland empfinden, fühlen wir uns gerade hier im Stich gelassen. Inzwischen haben wir ca. drei Millionen Türken und türkischstämmige Menschen, von denen 700 000 deutsche Staatsbürger sind. Natürlich würde ich es vorziehen, wenn alle drei Millionen doppelte Staatsbürger sein könnten. Wenn ein EU-Land wie Frankreich dies schafft, warum kann Deutschland es nicht?"

BILD: Was ist der größte Fehler, den die türkischstämmigen Zuwanderer machen?

Erdogan: „Sicher werden Fehler gemacht. Wir sollten gemeinsam mit der deutschen Regierung untersuchen, welche Faktoren die Integration behindern, wie die Bildung gefördert werden kann."

BILD: Konkret?

Erdogan: „Wie ich schon sagte, müsste die deutsche Politik die zugezogenen Türken nicht als Gefahr, sondern als Bereicherung sehen. Und das ganze Thema mit dieser Mentalität anfassen. Ein Beispiel: Wenn ein junger türkischer Mann ein Mädchen aus der Türkei liebt und heiraten möchte, wird dies als ein Fehler angesehen, denn die Bundesregierung verlangt, dass diese Frauen vorher Deutsch lernen müssen. Aber ich bitte Sie, welche Sprache spricht die Liebe? Es kann doch nicht sein, dass die Liebe junger Menschen per Verordnung nur auf Deutsch funktionieren darf.

Nein, wer Deutschkenntnisse zur wichtigsten Voraussetzung erklärt, verletzt die Menschenrechte. Auch in den relevanten EU-Richtlinien steht von einer solchen Voraussetzung nichts. So etwas verletzt uns."

 

BILD: Bei Ihrem letzten Besuch wurden Sie scharf kritisiert, weil Sie die Türken in Deutschland aufforderten, ihren Kindern zuerst Türkisch und dann Deutsch beizubringen. Wie sehen Sie das jetzt?

Erdogan: „Was ich sagte, ist nur eine sprachwissenschaftliche Erkenntnis. Wenn ein Kind eine neue Sprache erlernen soll, muss es die eigene Sprache gut können. Andernfalls kann man keine zweite Sprache erlernen."

BILD: Bundespräsident Wulff hat vor einem Jahr eine heftige Debatte ausgelöst mit dem Satz: Der Islam gehört zu Deutschland. Würden Sie diesen Satz so unterschreiben?

Erdogan: „Ich habe dem Bundespräsidenten schon damals für diesen Satz gedankt. Er beschreibt nichts anderes als die Tatsachen: Es leben fünf bis sechs Millionen Muslime in Deutschland; sie gehören zur Realität Ihres Landes. Genauso sage ich, dass die in der Türkei lebenden Christen und Juden zur Türkei gehören. Ich sehe diesen Satz als sehr wichtig in einer Welt, wo wir die Allianz der Zivilisationen angehen."

BILD: Ebenfalls eine heftige Debatte löste ein Buch des Autors Thilo Sarrazin aus, das die Fehler bei der Integration muslimischer Zuwanderer beschreibt. Haben Sie Verständnis für die Sorgen vieler Deutschen, die Zuwanderung könnte sie überfordern?

Erdogan: „Ich sehe es so: Integration überfordert nicht, sie bereichert. In der Türkei empfinden wir Unterschiede als einen Gewinn für die Gesellschaft und ihre Zukunft. Wir kommen doch alle aus Zeitaltern, in denen Kriege geführt wurden zwischen Religionen und zwischen Nationen. Wie oft haben Frankreich und Deutschland gegeneinander Krieg geführt? Wir müssen das für immer überwinden, dazu müssen wir die Unterschiede akzeptieren und mit ihnen zu leben lernen."

Quelle

Antworten Zuletzt bearbeitet am 14.11.2011 18:18.

Zagros
Gelöschter Benutzer

Re: Interview mit Erdogan

von Zagros am 15.11.2011 00:04

Der typ ist einfach nur krank...

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