Kooperation und Konfrontation

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Kooperation und Konfrontation

von Azadiyakurdistan am 24.06.2011 15:14



Hintergrund. Über die Beziehungen zwischen der Türkei und Syrien

Von Karin Leukefeld

Er sagt, er will es machen, aber es fällt mir schwer herauszufinden, ob er daran gehindert wird oder ob er zögert«, Reformen umzusetzen. So antwortete der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan auf die Frage in einem Interview, ob er mit dem syrischen Präsidenten Baschar Al-Assad über den Reformprozeß im Nachbarland spreche. Seit Mitte März ist Assad mit anhaltenden Protesten konfrontiert, die nach Angaben des UN-Menschenrechtsrates bisher 1100 Tote gefordert haben. Syrische offizielle Quellen sprechen von mehr als 400 Toten auf seiten von Armee und Sicherheitskräften, überprüfbar ist derzeit weder die eine noch die andere Zahl. Keinesfalls dürfe »Syrien eine Entwicklung zulassen, die zu einer Aufspaltung des Landes führt«, warnte Erdogan weiter, die Regierung müsse endlich Reformen umsetzen. Die Proteste seien ein »Kampf für die Freiheit«, so der türkische Premier, »wir wollen kein zweites Hama-Massaker sehen«. Diese Bemerkung bezog sich auf die Niederschlagung eines Aufstandes der Muslimbruderschaft in der syrischen Stadt Hama 1982 durch syrisches Militär. Der Operation, angeordnet von Assads Vater Hafis, könnten bis zu 30000 Menschen zum Opfer gefallen sein, eine unabhängige Untersuchung der Ereignisse gab es nie. Seitdem ist die sunnitische Muslimbruderschaft in Syrien verboten, was für einen Teil von Erdogans konservativ-sunnitischer Anhängerschaft eine dauerhafte Provokation sein dürfte. Mehrfach hat der türkische Ministerpräsident mit Assad seit März gesprochen und Unterstützung bei der Ausarbeitung neuer Wahl-, Parteien- und Mediengesetze angeboten. Syrien holte sich dafür den Rat vieler Experten, studierte europäische Gesetze, die teilweise schon für Verfassung und Grundgesetz der Türkei nach deren Gründung 1923 Pate gestanden hatten.

Der Vergleich der aktuellen Ereignisse in Syrien mit dem Massaker von Hama war nur eine Provokation von vielen. Schon im Mai hatte Erdogan das Vorgehen der syrischen Sicherheitskräfte gegen Teile der eigenen Bevölkerung mit dem »Massaker von Halabja« verglichen und Präsident Assad zu »äußerster Zurückhaltung« aufgefordert. In der nordirakischen Kurdenstadt Halabja (nahe der irakisch-iranischen Grenze) waren kurz vor Ende des irakisch-iranischen Krieges (1980–1988) etwa 5000 kurdische Einwohner bei einem Luftangriff mit Giftgas getötet worden. Die genauen Umstände wurden nie aufgeklärt, die irakische Armee und der damalige Präsident Saddam Hussein wurden verantwortlich gemacht.

Provokationen aus Ankara
Unmittelbar nach dem fragwürdigen Halabja-Vergleich setzte Ankara noch eins drauf und ließ gleich zwei Treffen syrischer Oppositioneller zu: eines in Istanbul im April, ein zweites in Antalya im Mai. Die Zusammenkunft in Antalya war Beobachtern zufolge dominiert von Vertretern der in Syrien verbotenen Muslimbruderschaft, ein offener Affront Ankaras gegen Damaskus. Aus Protest gegen die Rolle der Muslimbruderschaft bei dem Treffen hatten verschiedene syrische Exiloppositionelle eine Teilnahme abgelehnt.

»Für uns ist die Muslimbruderschaft wie die PKK für die Türkei«, sagte der syrische Botschafter Nidal Kabalan in Ankara. Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und ihre Anhänger werden in der Türkei seit 1985 brutal verfolgt. Trotz Zugeständnissen verfolgt die AKP (»Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung«) von Tayyip Erdogan weiter eine harte Linie gegen Kurden im eigenen Land. Ende April führten Wahlbeschränkungen für kurdische Kandidaten zu heftigen Demonstrationen in Städten des kurdischen Südostens der Türkei. Nachdem ein Jugendlicher erschossen worden war, strömten Zehntausende auf die Straßen Diyarbakirs wo sich regelrechte Schlachten mit Polizei und Armee entwickelten. Anders als über die Auseinandersetzungen in Syrien berichteten internationale Medien kaum darüber.

Die scharfen Worte, insbesondere der Verweis auf die große Wunde in der syrischen Gesellschaft, das Massaker von Hama, sorgten für Unruhe. Botschafter Kabalan wies Vergleiche mit Halabja und Hama zurück, beeilte sich aber gleichzeitig, die guten Beziehungen beider Staaten zu betonen. Das Land könne »unterscheiden zwischen denjenigen, die sich in die inneren Angelegenheiten Syriens einmischen wollen und denjenigen, die Syrien kritisieren, weil sie Sympathien für uns empfinden«, so der Botschafter. Als Provokation wertete man in Syrien auch den Aufbau von Lagern des türkischen Roten Halbmond an der türkisch-syrischen Grenze. Die waren schon im Mai entstanden, als erwarte man eine Flüchtlingswelle aus Syrien. Einen Monat später, Mitte Juni, flohen tatsächlich etwa 10000 Einwohner in die Türkei vor den Kämpfen in Dschisr Al-Schughur, das nur 20 Kilometer von der Grenze entfernt liegt. Eine syrische Regierungsdelegation reiste zu Gesprächen nach Ankara und versprach den Geflohenen – die von der Türkei und Syrien als »Gäste« in der Türkei bezeichnet werden– Unterstützung bei der Rückkehr in ihre Heimat und Hilfe, falls bei den Kämpfen Eigentum von ihnen zerstört worden sein sollte. Bisher verhallte der Aufruf ungehört.

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