Nationalismus und Rechtsextremismus unter türkischen Migranten in Deutschland
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Nationalismus und Rechtsextremismus unter türkischen Migranten in Deutschland
von Azadiyakurdistan am 02.09.2012 00:07Verfassungsschutz Hessen: Türkischer Nationalismus als Gefahr für die freiheitliche Gesellschaft
Als „Graue Wölfe" bezeichnen sich die Anhänger des türkischen Nationalismus, der Ülkücü-Bewegung. Symbolfigur dieser Bewegung ist der graue Wolf. Der türkische Begriff Ülkücü steht in der Übersetzung für Idealismus, weshalb diese politische Strömung auch als Idealisten-Bewegung bezeichnet wird. Der Begriff Ülkücü / Idealismus verdeckt allerdings den Charakter dieser Bewegung, die von einem übersteigerten Nationalismus (bezogen auf das Türkentum), einer ethnischen Überhöhung der eigenen „Rasse", einer Abwertung anderer Ethnien und einer stark ausgeprägten, oftmals gewaltbereiten Feindbildorientierung gekennzeichnet ist. Die „Grauen Wölfe" sind eine von rassistischen Ideologie-Elementen geprägte, rechtsextremistische Gruppierung unter Migranten in Deutschland. Ihre Ideologie richtet sich gegen die grundgesetzlich garantierte Menschenwürde sowie gegen die Völkerverständigung.
Die „Grauen Wölfe" finden unter türkischen Migranten in Deutschland eine bedenklich hohe Resonanz. Eine der Hauptorganisationen der „Grauen Wölfe" in Deutschland, die „Föderation der türkisch-demokratischen Idealistenvereine in Deutschland e.V." (ADÜTDF), wird auf rund 7.000 Mitglieder geschätzt. In Hessen sind es rund 1.000 Mitglieder; Hessen bildet damit einen der Schwerpunkte unter den Bundesländern1. Zu den Mitgliedern kommen Anhänger und Sympathisanten. So verzeichnen die bundesweiten Jahreshauptversammlungen der ADÜTDF Teilnehmerzahlen von etwa 10.000 Personen.
Neben der ADÜTDF existieren weitere Organisationen, die dem türkischen Nationalismus der „Grauen Wölfe" zuzurechnen sind, insbesondere die „Union der türkisch-islamischen Kulturvereine in Europa" (ATIB) und der „Verband der türkischen Kulturvereine in Europa" (ATB)2. Diese beiden Organisationen weisen gemeinsam mindestens ebenso viele Mitglieder auf wie die ADÜTDF. In ihrer Gliederung bestehen sie jeweils aus lokalen Vereinen, in denen die Ideologie der „Grauen Wölfe" gepflegt und vermittelt wird. Neben den Vereinsstrukturen entwickelt sich zunehmend eine von der Ideologie der „Grauen Wölfe" geprägte türkische Jugendkultur in Deutschland, die sich vor allem über die sozialen Netzwerke im Internet organisiert. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass die rechtsextremistischen „Grauen Wölfe" bundesweit
über ein Potenzial von über 20.000 Anhängern verfügen.
Die „Grauen Wölfe" haben Teile der Migrantengesellschaft vereinnahmt. Sie versuchen, ihre Ideologie unter den hier lebenden türkischen Jugendlichen zu verbreiten. Nicht selten schlägt diese Ideologie in Gewalt gegen Andersdenkende oder ethnisch Fremde um. Die „Grauen Wölfe" sind deshalb eine Gefahr für unseren Rechtsstaat und eine Herausforderung für unsere Gesellschaft.
Im Spannungsverhältnis: Völkerverständigung sagen, Ausgrenzungsideologie leben
Zielgruppe der „Grauen Wölfe" sind türkische Migranten in Deutschland. In den Vereinen der Ülkücü-Bewegung finden sie vielfältige Freizeitangebote; Sport, Ausflüge, bis hin zu religiösen Fortbildungsveranstaltungen. Über die Gemeinschaft wird ein Wir-Gefühl vermittelt und aufgebaut. Erst dahinter, durch die Aktivitäten noch nicht sichtbar, kommt die nationalistische, rechtsextremistische Ideologie zum Vorschein. Nach außen hin geben sich die „Grauen Wölfe" integrationsoffen, für Völkerverständigung und Freundschaft. Die lokalen Vereine sind hinsichtlich ihrer Vereinsnamen zumeist mit Attributen der Völkerverständigung oder der sozialen Dienste versehen. Die Ideologie der ethnischen Abwertung wird aber deutlich, sobald es um das konkrete Ausleben von Feindbildern geht. Attacken bis hin zu körperlichen Übergriffen zumeist jugendlicher Ülkücü-Anhänger sind keine Seltenheit. Die Gewaltkomponente ist dabei in erster Linie ein Jugendphänomen, die Ideologie eines aller Altersgruppen. In Hessen gibt es Vereine der „Grauen Wölfe" unter anderem in Frankfurt am Main, Kassel, Wiesbaden, Wetzlar, Aßlar, Haiger, Dillenburg, Stadtallendorf, Hanau und Dietzenbach.
Ideologie und Ziele der „Grauen Wölfe"
Die Ideologie der „Grauen Wölfe" besteht aus folgenden Kernelementen:
- übersteigerter Nationalismus
- ethnische Höherwertigkeit des Türkentums
- Abwertung anderer Ethnien
- Rassismus
- Antisemitismus
- starke Feindbildorientierung
- Panturkismus / Panturanismus
- Türkisch-islamische Synthese
Die Selbstbezeichnung als Idealisten-Bewegung (Ülkücü) verbrämt den im Kern bestehenden übersteigerten Nationalismus. Es ist ein auf das Türkentum bezogener, ethnisch begründeter Nationalismus. Die mit der Höherbewertung des Türkentums einhergehende Abwertung anderer Ethnien gibt dem Nationalismus der „Grauen Wölfe" den charakteristischen Zug des Rassismus. Immer wiederkehrendes Element ist zudem der Antisemitismus, ob als klassische Juden- oder als Israelfeindschaft.
Der ethnisch fundierte Nationalismus wird besonders deutlich an einem Ausspruch, der Alparslan Türkes, dem Gründer der „Partei der nationalistischen Bewegung" (MHP, Milliyetci Hareket Partisi) in der Türkei und heute noch Leitfigur und Idol der „Grauen Wölfe"3, zugeschrieben wird:
„Dem türkischen Stamm anzugehören ist das eine. Das Wesentliche ist, dass Bewusstsein zu haben, aus dem gleichen Stamm zu kommen, der gleichen Nation anzugehören. ...
Das Türkentum ist eine von Religion und Rasse geschaffene Substanz. Die Rasse hat Gott gegeben... Die Größe der türkischen Rasse wird am Wert der anderen Rassen gemessen. Und die türkische Rasse ist wertvoller als die anderen Rassen."
Aus diesem ethnisch übersteigerten Nationalismus folgt eine starke Feindbildorientierung der „Grauen Wölfe". Feindbilder erwachsen zum Einen auf der Projektionsfläche der türkischen Herkunft: Kurden und Armenier, selbstbewusste Minderheiten in der Türkei, die die Einheit der türkischen Nation in Frage stellen. Feindbilder resultieren aber auch aus einer generellen ideologischen Abwertung des Andersseins: Verschwörungstheorien richten sich dann gegen Juden und andere gesellschaftliche Minderheiten. Der Panturkismus der „Grauen Wölfe" zielt auf ein Großreich über die Grenzen der heutigen Türkei hinaus. Die Orientierung am Osmanischen Reich bezieht sich auf dessen Ausdehnung und Stärke, allerdings nicht auf dessen ethnische Vielfalt. Die Ülkücü-Ideologie strebt nach einer Vereinigung aller Turkvölker vom Balkan bis Zentralasien.
Leitbild ist ein fiktives Reich Turan (Panturanismus). Dieser völkische Expansionismus als ideologische Komponente sollte nicht als irreale Träumerei abgetan werden. Vielmehr ist er gesellschaftspolitisch höchst relevant: zeigt er doch, welches Verständnis von Völkerverständigung unter jungen Menschen verbreitet wird. Die Ülkücü-Ideologie der „Grauen Wölfe" hat eine „türkisch-islamische Synthese" kreiert, wobei die stärkere Komponente das Türkentum darstellt. Der Islam als religiöse und kulturelle Basis der türkischen Gesellschaft auch in Deutschland ist quasi das ergänzende Bindeglied, das das nationale Gemeinschaftsgefühl zusätzlich unterfüttert. Die jeweilige Bedeutung des türkischnationalen Elements oder des Islam ist das wesentliche Unterscheidungsmerkmal der verschiedenen Strömungen und Organisationen innerhalb der Ülkücü-Bewegung. Während die ADÜTDF den türkischen Nationalismus besonders stark betont, kommt etwa bei der ATIB oder der ATB
der Islam stärker zum Vorschein. Jedoch bleibt die nationalistische Komponente vorherrschendes Merkmal aller Ülkücü-Anhänger. Generell lässt sich sagen: Hauptelement der Identitätsbildung ist das Türkentum; ergänzendes Element ist der Islam. Dieses religiös gefärbte Nationalismusverständnis findet sich sinnfällig im Leitspruch der „Grauen Wölfe": „Islam ist unsere Seele, Türkentum ist unser Leib."
Das überhöhte Nationalbewusstsein, der kämpferisch-abgrenzende Charakter des türkischen Nationalismus kommt im sog. „Ülkücü-Eid" markant zum Ausdruck:
„Ich schwöre bei Allah, dem Koran, dem Vaterland, bei meiner Flagge. Meine Märtyrer, meine Frontkämpfer sollen sicher sein, wir die idealistische türkische Jugend, werden unseren Kampf gegen Kommunismus, Kapitalismus, Faschismus und jegliche Art von Imperialismus fortführen. Unser Kampf geht bis zum letzten Mann, bis zum letzten Atemzug, bis zum letzten Tropfen Blut. Unser Kampf geht weiter, bis die nationalistische Türkei, bis das Reich Turan erreicht ist. Wir, die idealistische Jugend, werden niemals aufgeben, nicht wanken, wir werden siegen, siegen, siegen. Möge Allah die Türken schützen und sie erhöhen."
Begriffe wie „Märtyrer", „Frontkämpfer", „Kampf" oder „bis zum letzten Tropfen Blut" machen das Wesen der Eidesformel aus. Es zeigt sich eine kämpferische Komponente, die allzu oft an Männlichkeits- und Selbstbehauptungsvorstellungen unter türkischen Migranten anknüpft und latent gewaltbefürwortend ist.
Symbolik der „Grauen Wölfe"
Symbolik spielt eine wichtige Rolle in der türkisch-nationalistischen Bewegung der „Grauen Wölfe". Sie vermittelt Gemeinschaftsgefühl und Zugehörigkeit. Im Zentrum der Symbolik steht der graue Wolf (gebräuchlich auch in der Übersetzung „Bozkurt"). Der Mythologie zufolge habe er in Vorzeiten die bedrohten Turkvölker in Sicherheit gebracht.
Der mit der Hand geformte Wolfsgruß ist ein Erkennungszeichen der „Grauen Wölfe".
Die drei Halbmonde auf rotem Grund sind das Symbol der nationalistischen Partei (MHP) in der Türkei und zugleich eine Anlehnung an die Kriegsflagge des Osmanischen Reiches.
Diese Symbolik findet sich in verschiedenen Varianten nicht nur auf Fahnen und Bannern, sondern auch auf T-Shirts, Kapuzenjacken oder Stirnbändern, als Aufnäher auf der Kleidung, als Gürtelschnalle oder Halskette und weit verbreitet in Internetauftritten.
„Graue Wölfe" als gewaltbereite türkische Jugendkultur in Deutschland
Natürlich sind nicht alle Mitglieder von Ülkücü-Vereinen Rassisten oder verherrlichen Gewalt. Vereine und Mitglieder müssen sich jedoch die Förderung und Verbreitung einer Ideologie zurechnen lassen, deren Handlungsmotivation letztlich auf Abwertung ethnisch Anderer und Gewalt gegen Andersdenkende hinaus läuft. Das gewaltverherrlichende Moment findet sich insbesondere in einer türkischen Jugendkultur in Deutschland, die sich neben den Vereinsstrukturen zunehmend in den sozialen Netzwerken des Internet auslebt. Das Selbstverständnis als „Facebook-Generation" ist auch unter den türkisch-nationalistischen Jugendlichen stark ansteigend. Es hat sich so etwas wie eine türkisch-nationalistische Jugendkultur als Internet-Community etabliert. Wesentliches Element dieser Jugendkultur ist immer auch die Musik, die etwa in der Stilrichtung des Deutsch-Türkischen Raps aufpeitschend bis gewaltverherrlichend den Nährboden für reale Gewalt zu legen vermag. In einem Musiktext heißt es:
„Ihr seid Hurensöhne, ihr verdammten Scheiß Kurden, ich zähle die Minuten wie ihr langsam stirbt. Ihr seid Affen, euer Schicksal ist zu sterben. (...) Ihr seht aus wie die Kartoffeln, wie German Gay Boys. (...) Wir sind Türken, wir sind die Besten. Ihr seid schlimmer als die Juden (...)" (aus einem Video auf YouTube) (Fehler im Original)
Verbale Radikalität, Gewaltbereitschaft, Gewaltsuche sind die Komponenten einer Weltsicht, die alles andere als Integration anstrebt. Gewalt wird konkret, etwa bei Auseinandersetzungen mit Kurden anlässlich von Demonstrationen. Die Jugendkultur vernetzt sich dabei zunehmend über das Internet. Hier findet Kommunikation und Mobilisierung statt. Die Personenzahlen lassen aufhorchen; so hat die lokale Facebook-Gemeinde der Ülkücü-Bewegung in Dietzenbach (Landkreis Offenbach) weit über 300 Teilnehmer. In Kassel sind es kaum weniger.
Türkischer Rechtsextremismus zwischen Integration und Abgrenzung
Die nationalistischen Türken stellen für die Integrationspolitik in den Städten und Gemeinden ein Problem dar. Lokale Vereine, die etwa der ADÜTDF angehören, propagieren Integrationsbemühungen, folgen letztlich aber einer Abgrenzungsideologie. Das Integrationsverständnis der Vereine heißt im Kern, Akzeptanz für die eigene Parallelwelt zu erreichen. Zudem bildet sich eine Jugendkultur im lokalen Umfeld, die die sozialen Spannungen in der Gemeinde oder auch den Schulen eher vertiefen als mindern. Verbale Radikalität bis hin zu rassistischer Gewalt gegen Migranten lassen sich durch kommunale Jugendangebote kaum minimieren, wenn Gewalt stark ideologisch motiviert ist.
Zugleich stehen kommunale Verantwortungsträger vor einem Dilemma: es gilt, Migranten zu integrieren, nicht auszugrenzen. Was also tun im Umgang mit türkischen Nationalisten?
Als Ausgangspunkt kann gelten:
- Die nationalistische Ideologie der „Grauen Wölfe" steht letztlich für Abgrenzung und Parallelgesellschaft.
- Kommunale Gremien (Ausländerbeiräte) werden seitens der türkischen Nationalisten genutzt, um Akzeptanz für die eigene Lebenswelt durchzusetzen.
- Zielgruppe der „Grauen Wölfe" sind türkischstämmige jugendliche Migranten im lokalen Umfeld. Wenn die „Grauen Wölfe" diese Jugendlichen für sich vereinnahmen, ideologisch festigen und radikalisieren, werden sie für kommunale und schulische Jugendarbeit, für unsere freiheitliche Demokratie immer schwerer zu erreichen sein.
Als Leitlinien für kommunales Handeln können gelten:
- Abgrenzung zur nationalistischen Ülkücü-Ideologie der „Grauen Wölfe", klares Einfordern des freiheitlichen demokratischen Grundkonsenses. Toleranz meint nicht, übersteigerten Nationalismus neben sich zu dulden.
- Keine Integrationsfördermittel für türkische Nationalisten.
- Deutliches Einwirken auf Vereins-Verantwortliche. Dabei gilt: der freiheitliche demokratische Grundkonsens duldet keine Kompromisse.
Zahlreiche Kommunen sind deutliche Schritte in diese Richtung gegangen. Das Landesamt für Verfassungsschutz steht den Kommunen, aber auch Schulen und anderen Einrichtungen in Hessen beratend zur Verfügung. Ein erster wichtiger Schritt ist Aufklärung über das Phänomen. Daraus lassen sich Handlungsoptionen entwickeln.
Quelle...
Silav û Rêz
Azad