Recep Tayyip Kerdogan und die Tränen der Mütter

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Recep Tayyip Kerdogan und die Tränen der Mütter

von Azadiyakurdistan am 11.06.2010 01:21

Cyrill Stieger

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan ist seit der Erstürmung des Gaza-Hilfskonvois durch israelische Soldaten der Held der Palästinenser und der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas.


Die türkischen Staatsbürger, die bei der Kaperung der Schiffe getötet worden waren, werden als Märtyrer verehrt, auch in der Türkei. Erdogan, der selber einen islamistischen Hintergrund hat, fühlt sich offenbar wohl in der Rolle eines wortgewaltigen Beschützers der palästinensischen Glaubensbrüder, ja aller Muslime im Nahen Osten.

Gerne klagt Erdogan darüber, dass palästinensische Mütter, so seine blumige Ausdrucksweise, noch immer ihre von israelischen Soldaten getöteten Söhne beweinen müssten. Aussenminister Ahmet Davutoglu behauptete gar, der israelische Angriff auf die türkischen Schiffe bedeute für die Türkei in psychologischer Hinsicht dasselbe, was die Terrorattacken der Kaida vom 11. September 2001 für die USA bedeutet hätten..
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Viele Facetten

Erdogans Verehrung der Hamas und seine harschen Tiraden gegen Israel haben jenen Kritikern in der Türkei wieder Auftrieb gegeben, welche schon bei der Amtsübernahme vor sieben Jahren die Befürchtung geäussert hatten, Erdogan verfolge eine «geheime Agenda» und wolle die Türkei islamisieren. Seine jüngsten verbalen Ausfälle zeigten, dass der Ministerpräsident im Grunde seines Herzens, trotz der Politik der Annäherung an die EU und dem Reformkurs vor allem in den ersten Jahren der Herrschaft seiner islamisch-konservativen Regierungspartei, eben doch ein Islamist geblieben sei.

Erdogan ist schwer fassbar. Er hat viele Facetten. Von der Errichtung eines Gottesstaates nach iranischem Vorbild ist die Türkei jedenfalls weit entfernt. Auch in der seit einiger Zeit verstärkt auf die muslimischen Nachbarländer ausgerichteten Aussenpolitik dominierte bisher die Pragmatik. Wenn Ankara als Vermittler in den Konflikten des Nahen Ostens weiterhin eine Rolle spielen will, wird sich daran trotz dem Zerwürfnis mit Israel und der Ablehnung verschärfter Uno-Sanktionen gegenüber Iran in der Substanz nicht viel ändern.

In einem bemerkenswerten Kommentar, der kürzlich in der englischsprachigen türkischen Zeitung «Daily News» veröffentlicht wurde, schreibt der Verfasser wörtlich: «Wie kann ich stolz auf eine Regierung sein, für die palästinensische Kinder wichtiger sind als die eigenen? Wie kann ich stolz sein auf eine Regierung, die nicht genug getan hat, um die Kinder freizulassen, die in Gefängnissen einsitzen, weil sie Steine geworfen haben? Sind sie weniger wertvoll als die palästinensischen Kinder, die Steine auf Israeli geworfen haben?» Gemeint sind kurdische Jugendliche, die bei Kundgebungen in den mehrheitlich von Kurden bewohnten Gebieten im Südosten des Landes verhaftet und teilweise zu langen Haftstrafen verurteilt wurden. Rund 5000 Minderjährige sollen in Gefängnissen sitzen.
Repressalien gegen Kurden

Zwar hat Erdogan zugesagt, jenen Artikel des Anti-Terror-Gesetzes zu ändern, der es erlaubt, Minderjährige, welche Ordnungskräfte mit Steinen bewerfen, wie erwachsene Straftäter zu behandeln. Geschehen ist bisher allerdings nichts. Eine revidierte Fassung dieses Paragrafen ist auch nicht im Paket von Verfassungsänderungen enthalten, über die das Stimmvolk im September in einem Referendum befinden soll – wenn dieses vom Obersten Gericht nicht noch für verfassungswidrig erklärt wird.

Es ist kein Jahr her, da hat Erdogan im gleichen Atemzug vom Leid der türkischen und der kurdischen Mütter gesprochen, die im jahrzehntelangen blutigen Konflikt zwischen kurdischen Separatisten und der Armee ihre Söhne verloren hätten. Noch wenige Jahre zuvor wäre jeder, der eine solche Gleichstellung gewagt hätte, als Verräter gebrandmarkt worden und im Gefängnis gelandet. Vor einem Jahr startete Erdogan mit viel rhetorischem Pomp die «kurdische Initiative», die das Verhältnis des türkischen Staates zur kurdischen Minderheit auf eine neue Grundlage stellen sollte. Doch schon bald wurde das Adjektiv «kurdisch» gestrichen und durch «demokratisch» ersetzt. Mit der Umformulierung begann die inhaltliche Verwässerung. Die Bemühungen um eine politische Lösung des Kurdenproblems sind inzwischen praktisch zum Stillstand gekommen. Die Repression hat zugenommen.

Die Rhetorik Erdogans ist nationalistischer geworden und unterscheidet sich in der Kurdenfrage immer weniger von jener der kemalistischen Elite, welche die «demokratische Initiative» von Anfang an bekämpft hat. Mit den Tränen der palästinensischen Mütter lassen sich in der Türkei mehr Stimmen gewinnen als mit den Tränen der kurdischen.

(nzz.ch)

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