Wie ein kurdischer Schneider ins Lager Friedland kommt

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Wie ein kurdischer Schneider ins Lager Friedland kommt

von Azadiyakurdistan am 13.02.2012 15:54

Friedland. Normalerweise ist der Beruf des Schneiders nicht mit besonderen Gefahren verbunden. In Syrien kann die Arbeit an der Nähmaschine jedoch lebensgefährlich sein. Raman T. ist dieses Risiko eingegangen. In seiner Schneiderwerkstatt in einem Vorort von Aleppo nähte er nicht nur Kleider, sondern auch Flaggen. Nicht die offizielle grün-weiß-schwarze mit den drei roten Sternen in der Mitte, sondern die Flagge der Kurden und die frühere Nationalflagge Syriens, wie sie vor der Machtergreifung durch die Baath-Partei in Gebrauch war.

Solche Fahnen sind immer wieder bei Demonstrationen gegen das Assad-Regime zu sehen. Eines Tages kamen Polizisten. Sie durchsuchten seine Werkstatt und brachten ihn zum Geheimdienst, wo man ihn verhörte. "Die Flaggen waren gut versteckt, deshalb hatten sie keine Beweise gegen mich", erzählt er.Der kurdische Schneider ist einer von knapp 50 syrischen Flüchtlingen, die derzeit im Grenzdurchgangslager Friedland untergebracht sind. Dort ist seit dem vergangenen Jahr die zentrale Erstaufnahmeeinrichtung für alle Asylbewerber, die nach Niedersachsen kommen. Seit das Assad-Regime immer brutaler gegen die Protestbewegung vorgeht, hat sich auch die Zahl der Flüchtlinge erhöht.

 

Raman T. entschloss sich nach der Durchsuchung seiner Werkstatt zur Flucht. Sein ganzes Leben lang habe er in Syrien nur Unterdrückung erlebt, erzählt er. In den vergangenen Monaten sei die Repression immer schlimmer geworden. Sobald sich mehr als fünf Personen auf der Straße versammelten, schreite sofort der Geheimdienst ein. Die Regierung habe überall Rekrutierungsbüros eingerichtet, um junge Menschen als bezahlte Claqueure anzuwerben. Außerdem lasse sie Beamte, Verwaltungsangestellte und Schüler mit Bussen in die Städte karren, damit diese sich dort an Kundgebungen für das Regime beteiligten.

Der Schneider floh gemeinsam mit seiner Ehefrau, seinen drei erwachsenen Kindern, dem Schwiegersohn und dem Enkel. Diesen hatten die Polizisten bei der Durchsuchung bedroht und am Kopf verletzt, so- dass er im Krankenhaus behandelt werden musste. Der Dreijährige sei durch das Erlebnis traumatisiert, sagt Schwiegersohn Hussein T. Er selbst habe durch die Durchsuchung erfahren, dass er auf der Reservistenliste der vierten Brigade stehe, die der Bruder des syrischen Präsidenten, Mahir Hafiz al-Assad, befehligt. "Uns wurde gesagt, dass sich unter den Demonstranten Salafisten und bewaffnete Terroristen befänden", erzählt der Modedesigner. Dies habe jedoch nicht der Realität entsprochen. Um nicht selbst auf Demonstranten schießen zu müssen, sei er desertiert.

Yousif M. stammt aus dem Gouvernement Al-Hasaka im Nordosten des Landes. Kurz vor seiner Flucht im Oktober war dort der oppositionelle Kurdenführer Meschaal Tammo ermordet worden. Die Beisetzung, an der 50000 Menschen teilnahmen, wurde zum Massenprotest gegen das Regime. Auch der 25-Jährige wollte an der Trauerfeier teilnehmen. Auf dem Weg dorthin hätten Angehörige des Geheimdienstes auf sein Auto geschossen, erzählt er. Man habe ihm vorgeworfen, bewaffnete Personen transportiert zu haben.

Kawa A. ist bereits im Juli aus Syrien geflohen. Er habe gemeinsam mit zwei Freunden Bilder und Filme von den Demonstrationen in Damaskus gemacht und anschließend im Internet verbreitet, erzählt der 25-Jährige. Seine zwei Freunde seien festgenommen worden. Einer von ihnen sei zu Tode gefoltert worden, einer befinde sich noch im Gefängnis. Gemeinsam mit seiner schwangeren Ehefrau und seinem zweijährigen Sohn floh er nach Deutschland. Vor zwei Monaten wurde eine Tochter geboren. Jetzt hoffen die syrischen Flüchtlinge vor allem eines: "Dass unsere Kinder in Freiheit aufwachsen können."

weser-kurier.de

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