Vor Geheimpolizei geflüchtet
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Vor Geheimpolizei geflüchtet
von Azadiyakurdistan am 20.12.2011 17:20
Schwerte. Als vor einem Jahr der arabische Frühling begann, hatte er die Hoffnung, auch sein Land würde den Hauch von Freiheit zu spüren bekommen.
Heute sitzt der Mann, der seinen Namen mit Rücksicht auf die Verwandten in der Heimat nicht nennen will, in einem Schwerter Übergangswohnheim. Statt besser sei die Lage in Syrien immer schlimmer geworden, gibt er zu verstehen. Seine Worte werden von Mohammad Haji übersetzt, der schon vor zehn Jahren nach Deutschland kam, weil er um sein Leben fürchtete.
Schon einmal vergeblich auf die Wende gehofft
So erging es auch dem Familienvater. Eines Tages habe die Geheimpolizei bei ihm vor er Tür gestanden. Zum Glück sei er nicht daheim gewesen. „Es war für mich aber ein Warnsignal." Es sollte nur noch wenige Stunden dauern, bis er sich mit Frau und drei Kindern zu Fuß auf den Weg machte, um zu flüchten. Sie ließen alles zurück, ihr Hab und Gut, Freunde und Verwandte. Nur mit dem, was sie am Leibe trugen, kehrten sie der Heimat den Rücken. Ein größeres Risiko als unterwegs erwischt zu werden, sei die Haft gewesen, erklärt der studierte Architekt. Er kennt zu viele Menschen, die nach ihrer Inhaftierung nie wieder gesehen wurden.
Im Nachbarland Türkei zu bleiben, kam für die Familie nicht in Betracht. Auch dort seien die Kurden nicht sehr willkommen. Wie die Familie es dann geschafft hat, nach Deutschland zu gelangen, dazu will sich der Mann aus Syrien nicht im Detail äußern. Am Ende seien alle nur heilfroh gewesen, das Ziel erreicht zu haben.
Der Syrer ist nicht der erste aus der Großfamilie, der das Land verließ. Wer sich wie er politisch für sein Volk, die Kurden, engagiert, müsse mit Verfolgung rechnen. Er gehöre aber „nicht der PKK an", betont Haji, der aus derselben Region stammt. Menschenrechtsorganisationen beklagen seit Jahrzehnten, welchen Repressalien die syrischen Kurden und ihre politischen Organisationen ausgesetzt sind. Seit vergangenem Jahr sei die Verfolgung noch härter geworden, heißt es.
Das entspricht den Beobachtungen des Syrers. Es sei kaum noch ein Tag vergangen, an dem nicht irgendwer verschleppt worden sei. Der Mann erzählt von Demonstrationen, bei denen Soldaten oder Polizisten die Regimekritiker niederknüppelten. „Immer wieder sterben Menschen." Genaue Zahlen, wie viele Landsleute schon Opfer geworden sind, „die gibt es nicht", sagt Haji. Man rechne aber damit, dass allein in den letzten zwölf Monaten 5000 Menschen getötet worden seien. Oftmals würden die Leute in irgendwelche öffentliche Gebäude mitgenommen. „Schulen beispielsweise", erklärt der Syrer.
Als sich an der Spitze des Staates 2000 der Generationenwechsel vollzog, der Sohn Baschir al-Assad das Amt von seinem Vater übernahm, habe man schon einmal an eine Wende geglaubt. Doch schon sehr schnell habe sich herausgestellt, „dass der Familienclan seine Macht behalten will – egal, um welchen Preis", meint der Dolmetscher.
Spätestens im Jahr 2004 sei ihm deutlich geworden, dass die Unterdrückung kein Ende nehmen werde, solange diese Familie regiere, meint der Syrer. Damals seien in einem Ort nahe seines Heimatdorfes 35 Kurden bei einem Massaker ums Leben gekommen. Hunderte von Überlebenden habe man in Haft genommen. Weiteres Schicksal unbekannt.
Theo Körner / derwesten.de
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