Alte Konflikte und beispiellose Hilfsbereitschaft

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Kudo21
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Alte Konflikte und beispiellose Hilfsbereitschaft

von Kudo21 am 24.10.2011 21:40



Das verheerende Erdbeben in Ostanatolien hat in der Türkei eine Welle der Hilfsbereitschaft entfacht. Der Westen unterstützt den Osten, die Mehrheit die kurdische Minderheit. Doch auch die Katastrophe kann die politischen Grenzen nicht überwinden.

Seit wann sie auf den Beinen sei, um den Hilfstransport für das Erdbebengebiet in Van vorzubereiten? "Schon seit den frühen Morgenstunden", sagt die ältere Dame lächelnd auf die Frage einer Reporterin des Nachrichtensenders NTV. "Aber wir haben auch schon Sonntagabend einen Transport abgeschickt."

 

Die Szene spielt am Montagmittag in Istanbuls Bezirk Ümraniye, auf der asiatischen Seite der Millionenmetropole am Bosporus. Hier, wie in vielen anderen Bezirken der Stadt, haben sich spontan Initiativen gebildet, die auf privater Basis in der Nachbarschaft Decken, warme Kleidung und Medikamente für die Erdbebenopfer im entfernten Osten der Türkei sammeln. Das ganze Land sei inzwischen auf den Beinen, um den Menschen in Van und Umgebung zu helfen, verkündet NTV begeistert.

 

Wut auf die Kurden wächst

Doch die Hilfsbereitschaft hat auch eine Dimension, die in den Fernsehbeiträgen nicht deutlich wird. Zur selben Zeit, als die Damen in Ümraniye für die Erdbebenopfer sammeln, hat sich im gleichen Stadtteil, unweit der Sammelstelle für Decken und warme Kleider, ein nationalistischer Mob zusammengerottet und bedroht das Parteigebäude der kurdischen BDP.

Fast 2000 Menschen marschieren im Anschluss an eine Anti-PKK-Demonstration zum Parteibüro der BDP in Ümraniye und versuchen, das Gebäude in Brand zu setzen - zum Glück vergeblich. Die Wut der Leute richtet sich gegen die PKK, die vor knapp einer Woche bei einem Angriff auf Armeeposten im Südosten des Landes 24 Soldaten tötete. Aber bei vielen richtet sich die Wut längst gegen die Kurden an sich.

Während die Türkei eine bislang beispiellose Welle der Hilfsbereitschaft erlebt, werden gleichzeitig im Internet Stimmen laut, die das Erdbeben als gerechte Strafe Gottes für die Kurden bezeichnen.

Bei den vom Erdbeben Betroffenen handelt es sich vor allem um Angehörige der kurdischen Minderheit. Van und Ercis, die beiden am schlimmsten zerstörten Orte, genauso wie die Dörfer im Hochland zwischen dem Van-See und der iranischen Grenze, sind sozusagen kurdisches Kernland. Und genau in der Nachbarprovinz von Van, in Hakkari, gerade mal hundert Kilometer entfernt, rückt die türkische Armee gerade mit 10.000 Mann gegen die Guerilleros der PKK vor, um Rache zu nehmen für die toten Soldaten, so wie Staatspräsident Abdullah Gül es gefordert hatte.

Erst am Sonntag, wenige Stunden vor dem Erdbeben in Van, hatte die Armeeführung stolz verkündet, dass im Rahmen ihrer Operation bereits hundert PKK-Militante, Kurden wie die Erdbebenopfer in Van, getötet worden seien.

Der reiche Westen hilft dem armen Osten

Es war deshalb kein Zufall, dass Ministerpräsident Tayyip Erdogan noch am Sonntagabend mit seinem halben Kabinett ins Flugzeug stieg um nach Van und Ercis zu reisen. Das war nicht nur eine humanitäre Mission, sondern es ging darum zu zeigen, dass die Regierung, ja, dass der Staat auch für seine kurdischen Bürger da ist. Gerade angesichts der gespannten Lage nach dem letzten PKK-Angriff muss Erdogan den Türken demonstrieren, dass Kurden und die PKK nicht ein und dasselbe sind.

Auch deshalb ist die Regierung anders als bei früheren Erdbeben bemüht, schnelle und effiziente Hilfe in die vom Erdbeben verwüsteten Gebiete zu entsenden. "Wie haben bereits 20.000 Decken, beheizbare Zelte, Feldküchen und Bäckereien losgeschickt, berichtete der stellvertretende Ministerpräsident Besir Atalay am Montagnachmittag nach seiner Rückkehr aus Van in Ankara der Presse. Doch das sei erst der Anfang.

Am erstaunlichsten aber ist, dass viele Bürger im Westen der Türkei erkannt haben, dass die Einheit des Landes eine hohle Floskel wäre, wenn der reiche Westen dem armen Osten jetzt die Solidarität verweigerte. Und deshalb helfen viele von ihnen. Nicht nur der türkische Halbmond schickt Zelte und Decken, auch Privatpersonen mieten Lastwagen, um Hilfsgüter ins Katastrophengebiet bringen zu lassen.

Der Bezirksbürgermeister des Istanbuler Stadtteils Mustafa Sarigül hat angeboten, obdachlose Bürger aus Van für ein Jahr in Sisle unterzubringen, bis in ihrer Heimat neue Häuser gebaut worden sind. Der Verband der Istanbuler Bauarbeiter will Erdbebenopfer in leerstehenden Sommerhäusern unterbringen.Doch die Stimmung kann jederzeit kippen. Für den 30. Oktober wird im ganzen Land zu Großdemonstrationen gegen die PKK aufgerufen. "Land der Pein" titelte die Istanbuler Tageszeitung "Radikal" am Montag, "erst der Terror, jetzt das Beben".

Doch in der Katastrophe liegt auch eine Chance. So wie sich das Verhältnis zwischen der Türkei und Griechenland nach dem Beben 1999 deutlich verbesserte, weil die Griechen mit ihrer Hilfe sofort da waren, könnte die Solidarität jetzt auch neue Brücken zwischen der West- und Osttürkei schlagen.

 

Quelle

Antworten Zuletzt bearbeitet am 24.10.2011 21:42.

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Re: Alte Konflikte und beispiellose Hilfsbereitschaft

von Azadiyakurdistan am 24.10.2011 21:59

werden gleichzeitig im Internet Stimmen laut, die das Erdbeben als gerechte Strafe Gottes für die Kurden bezeichnen.


Ich wusste sofort das die Türken sowas sagen werden. Egal ob Erdbebeb, Natur-Katastrophen etc. bleiben die meisten Türken faschistisch und rassistisch.

Silav û Rêz
Azad

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